ART Cologne 2017 – Ein Besuch bei der alten Dame mit vielen Überraschungen

Köln/ Frankfurt, April/ Mai 2017

 

204 Galerien aus 28 Ländern reisten in diesem Jahr nach Köln und präsentierten den rund 52000 Besuchern Arbeiten von rund 2000 Künstlern der klassischen Moderne, Nachkriegskunst und zeitgenössischen Kunst. Diese stattlichen Zahlen präsentierte das Presseteam der ART Cologne.

 

Neugierig auf neue Wege

Doch warum sollte man die ART Cologne wirklich besuchen? Vielleicht weil sie eine der ältesten und renommiertesten Messen Deutschlands für Moderne und Zeitgemäße Kunst ist? Vielleicht weil man dort einen repräsentativen Eindruck erhält, welchen Künstlern und Kunstrichtungen Galerien und Käufer vertrauen? Zugegeben, es mag viele Beweggründe zum Besuch der ART geben. Meiner ist die Neugierde. Ich will sehen, welche neuen Wege Maler beschreiten, nachdem sich spätestens seit der Leipziger Schule figurative Malerei behauptet, die den Abstrakten Expressionismus gestrig erscheinen lässt. Sozusagen Neo Rauch und Rosa Loy gegen Jackson Pollock. Oder funktioniert das zusammen und falls ja, wie?

 

 

Liebe auf den zweiten Blick

Um es vorwegzunehmen: Bahnbrechend Neues gab es nicht zu sehen. Insgesamt wirkte die Messe-Stimmung wie bei einem Ehepaar, das sich nach 20 Jahren Ehe noch respektiert, aber die Leidenschaft der jungen Jahren verlor. Zwar versicherten Galeristen, dass sie gut verkaufen, zwar beobachteten wir gut informierte, fachkundige und kauffreudige Besucher, doch der Charme und die quirlige Aufbruchstimmung der jungen ART-Jahre fehlten. Dennoch entpuppte sich der Besuch „der alten Dame“ als eine kleine Entdeckungsreise voller Köstlichkeiten, wenn man genauer hinsah.

 

Ich wünsche euch viel Freude bei meinem kleinen Messerundgang. Durchaus selektiv und subjektiv. Aber so ist ja gute Kunst auch!

 

Edda Rössler

 

 

 

Die Lady in red – von Ulrich Lamsfuss in Szene gesetzt

Was für ein grandioses Bild! Dem Künstler gelingt die meisterhafte Übertragung eines Fotos in ein Gemälde. Der perfekte Moment im Leben dieser Frau (und des Mannes, dessen Arm nach ihr greift), für die Ewigkeit auf Leinwand gebannt. (Ulrich Lamsfuss, 1971 geboren, lebt und arbeitet in Berlin. Wird von der Galerie Daniel Templon (Paris/ Brüssel) vertreten.

 

 

So sexy! Im Atelier gehts sündig zu

Hier finden wir eine sexy Atelierszene, die in ihrem Aufbau und in ihrer Raumdarstellung durchaus an die alten Niederländer wie etwa Jan Vermeer erinnert und auch die Surrealisten grüßt. Doch diese Domina und Muse entstammt unzweifelhaft der Moderne. („Atelierszene“ des mexikanischen Malers Gino Rubert, 1969 geboren, Galerie Michael Haas, Berlin). Übrigens, die website der Galerie enthüllt noch weitere sehenswerte sexy Ladies des Künstlers!

 

 

Ein rumänischer David Hockney: Marius Bercea

Wusstet ihr schon, dass David Hockney einen Sohn hat? Zumindest was den Malstil anbelangt, könnte das der Fall sein. Sein Name lautet Marius Bercea, 1979  in Cluj, Rumänien geboren. Dort lebt und arbeitet er auch. Er beobachtet feinfühlig, wie sich in seinem Land der Übergang vom Kommunismus zum Kapitalismus vollzieht. Für das Aufeinanderprallen von Ost und West findet er originelle Bildwelten, wobei die Farbe im Vordergrund steht. Seine ästhetischen Lösungen erinnern an Bildwelten Hockneys und wir finden, das ist ein hohes Lob. Wir wünschen Marius weiterhin viel Erfolg und merken uns eine Reise nach Cluj vor – wo auch immer das liegt. Dieser wunderbare Künstler wird von der Galerie Blain/Southern (London/ Berlin) vertreten. Schaut auf deren website, da gibt es noch weitere Knüller, darunter auch Werke von Lucian Freud und Damien Hirst.

 

 

Nicht die Venus – ein alter Mann entsteigt dem Farbenmeer!

Das Bildnis eines Mannes, aus einem  Farbmeer entstiegen, gibt Rätsel auf. Hellblau, rosé, pink und orange, viele schmeichelhafte Farbkleckse, die Blütenblätter gleichen, bilden die Grundlage für das Porträts eines älteren Herren. Hätte der Künstler stattdessen eine schöne, junge Frau abgebildet, hätte es kitschig wirken können. Aber gerade der Gegensatz: Realismus, alt, und ein aufmerksamer Blick auf den Betrachter gerichtet gegen betörende Farbschichten stellen einen großen Reiz dar. Gut, dass sich der Künstler für einen stabilisierenden anthrazitfarbenen Hintergrund entschieden hat: Diese farbliche Brücke zwischen beiden Bildwelten sorgt für Ruhe und Gelassenheit.

Ähnliche Lösungen, auch großartig in Szene gesetzt, entdecken wir auf der website der Berliner Galerie Anke Schmidt bei Steffen Lenk.

 

 

 

Spaß, Witz und Originalität!  Diese Spiegeleier hätte ich gerne.

Ach ja, da wäre noch die wunderbare Spiegeleier-Installation „Livestrong“ von Christopher Chiappa, vertreten von der New Yorker Galerie Kate Werble.  Der (übrigens sehr gut aussehende) Mann hat es irgendwie drauf: Wie ein Tausendsassa produziert er Videos, Zeichnungen und bemerkenswerte Installationen. Seine Spiegeleier (alles Unikate, alle unterschiedliche Pop-Plastiken) wachsen auf der Erde und kriechen die Wände entlang. Lebensfreude pur und überall. Kate, die Galeristin, verriet mir, dass er davon an die 7000 produzierte. Bei einem Stückpreis von 400 Euro kommt mein Taschenrechner auf 2,8 Millionen Euro. Auch ein sehr gutes Geschäftsmodell, liebe Künstler. Spannend wäre jetzt zu wissen, wie viele Eier er bereits verkauft hat. Ich ärgere mich noch immer, dass ich keines kaufte! Aber das kann sich ja noch ändern!

 

Dale Lewis – einfach unschlagbar!

Warum der Brite von einer koreanischen-deutschen Galerie (Choi&Lager) vertreten wird, verwundert, kannten wir ihn doch als Künstler der Londoner Saatchi-Gallery. Aber völlig egal, wer auch immer ihn vorstellt – bei Dale Lewis handelt es sich um einen wahren Glücksfall. Der ehemalige Assistent Damien Hirsts und ehemalige Mitarbeiter des hyper-realistischen Malers Raqui Shaw hat sich schon längst seinen eigenen Stern auf dem Walk of Fame der Malerei verdient. Seine großformatigen Straßenszenen (Acryl und Spray-Technk) zeigen ein jahrmarktgleiches Sammelsurium an Gauklern, Huren, Normalos und völlig Ausgeflippten. Dabei arbeitet er mit einer rotzfreichen Technik, vieles wird symbolhaft angedeutet, expressiv überzeichnet. Die beschwingte Linienführung erinnert an Free-Jazz und seine starke Farbpalette wird immer da, wo es zu schrill wirken könnte, durch komplementär Farben abgefangen. Doch schrill bleibt es und das ist auch gut so! Trotz aller Farbigkeit – auch aufgrund des überzeugenden Einsatzes von Weiß – kann man sich die Straßenszenen mühelos in schwarz/ weiß vorstellen. Dale Lewis ist zwar einzigartig, doch wollte man ihn aber unbedingt mit einem Vorgänger vergleichen, drängt sich Pablo Picasso auf. Preislich halten sich seine Werke (noch) im Rahmen: Alle in Köln gezeigten (großformatigen) Straßenszenen bewegen sich in einer Preisspanne von 12 TSD bis 15 TSD Euro. Da wundert man sich nicht, dass sie bereits am 2. Messetag komplett verkauft waren. Weiter so, Dale Lewis, und bitte hebe noch ein Gemälde für mir mich auf!

 

 

Text und Fotos von Edda Rössler

 

PS: Ein Blick auf die website der Galerien der hier aufgeführten Künstler lohnt sich!

 

 

Weitere Informationen:

www.danieltemplon.com

www.galeriemichaelhaas.de

www.blainsouthern.com

www.galerieankeschmidt.com

www.katewerblegallery.com

www.choiandlager.com