Text und Fotos von Edda Rössler
veröffentlicht am 20. Juli 2019 in der Frankfurter Neuen Presse
Frankfurt am Main, Juli 2019. Kunst ist für Alle da und wo erreicht man die arbeitende Bevölkerung hautnah? Die Lösung heißt für die beiden Frankfurter Städel-Künstler Oliver Carlos Tüchsen (48 Jahre) und Martin Holzschuh (47) beim Mittagessen in der „Kantine & Gallery“. Die Idee, Kantine mit Kunst zu verbinden, zündete. Mit dem erfahrenen Küchenchef Nik Mroch (49), der auch für die Kantine im benachbarten Atelier Frankfurt verantwortlich ist, finden sie einen begeisterten Unterstützer.
Am Donnerstag wurde pünktlich mittags um 12 Uhr die Vernissage gefeiert. Allerdings wurde statt mit Champagner mit Mineralwasser angestoßen. An den Wänden laden 14 größere und kleinere Formate der beiden gegensätzlichen Künstler zum Betrachten ein. Während Tüchsen voller Dynamik und Esprit auf seine in Mischtechnik gehaltenen Werke eingeht, erläutert Holzschuh seine Malweise eher bedächtig. „Ich lege Farbschichten aufeinander.“ Holzschuhs traumwandlerisch wirkenden Ölgemälde, die Umrisse von Figuren abstrakt auflösen, wirken rätselhaft und offenbaren sich nicht auf den ersten, schnellen Blick. Zurückhaltende Farben, neben Schwarz und Blautönen greift er gerne zu einem dunklen Rot, verlangen Muße beim Betrachten. Urplötzlich erkennen wir unter all den maskenhaften Fratzen ein nahezu romantisches Porträt der verstorbenen Sängerin Amy Winehouse. „Ich entdeckte ihre Todesanzeige und musste Amy malen“, berichtet Holzschuh. So entstand eine eindrucksvolle Hommage, die an die Stimmung ihres Hits „Back to Black“ erinnert.
Ganz leuchtend, voller Licht und Abenteuer präsentiert dagegen Tüchsen, der auch für seine originellen dadaistischen Objekte bekannt ist, Bilder „an der Grenze zur Zeichnung oder umgekehrt“. „Malen aus Rache 2“ oder „Zickzack Overdose“, so schelmisch klingen Bildtitel bei Oliver Tüchsen. Die Linie und vor allem die Perspektive spielen bei dem Künstler eine große Rolle. Mit dem Einsatz von Farbe sprengt er das Medium Zeichnung und entführt in unbekannte Galaxien. So viel Science Fiction und Spannung erlebte man bisher nur im Kino. Sein zeichnerisches Talent und die trotz seiner erfrischenden Spontanität kalkuliert gesetzten Farben vermitteln Tiefe. Es sind Welten, in die man gerne eintaucht und die uns wie Strudel einfangen. In Frankfurt findet er für seine Werke ein perfektes Umfeld, die Skyline, die Skyscaper und die ungewöhnliche Architekturen inspirieren ihn.
Bei den Mittagsgästen kommt die Ausstellung bereits bestens an. Eugen (31 Jahre) und sein Kollege Dirk (40) begrüßen diese „schöne“ Idee. „Es ist richtig, dass man sich mittags auch mal über Kunst unterhält“, sind sich die Beiden einig. Dirk verrät, dass er „gegenüber“, angeregt durch eine Ausstellung in der Galerie des Atelier Frankfurt, jüngst ein Gemälde erstand. „Auch hier gefällt mir einiges.“ Wer weiß, vielleicht finden die „Kantinenwerke“ in der „Kantine & Gallery“ bald Abnehmer. Letztere überzeugt mit kreativen Speisen ein treues Stammpublikum und darf sich ab sofort auch über Besuche von Kunstinteressenten freuen.
Noch bis September ist die erfrischende Ausstellung in der „Kantine & Gallery“ zu sehen. Die Coffee Lounge der Kantine ist an Wochentagen von 8 bis 16 Uhr geöffnet. „Causal Street Food“ gibts von 12 bis 15 Uhr.
Weitere Informationen:
„Kantine & Gallery“, Hanauer Landstraße 182, 60314 Frankfurt am Main
www.martinholzschuh.de
www.olivertuechsen.de