Das magische Dreieck des Lebens – Ardi Goldman kreiert den Parcours des Widerstands

Eine Strecke mit Hindernissen, so lautet die Bezeichnung für einen Parcours. Genau wie das Leben, voller Freude und Schicksalsschläge. Für seinen „Parcours des Widerstands“, den Ardi Goldman (60) mit vier Skulpturen des politischen Künstlers Klaus Prior bestückt, wählte der Frankfurter Projektentwickler und Lebenskünstler das Entree zu seinem neuen Club Fortuna Irgendwo auf dem Unionsgelände im Ostend.

Umgeben von hohen Kastanienbäumen fällt der Blick auf symbolträchtige Kunst, die zum Nachdenken und Innehalten einlädt. Als ein Wahrzeichen des Ortes bietet sich der viereinhalb Meter hohe „Golem“ an, den Prior mit einer Kettensäge aus Zedernholz heraus schuf. Schräg gegenüber platzierte Goldman Priors Figur aus Eisenguss, die „Pieta“. Das Ensemble runden die Skulpturen „Die Umschlungenen“ und der „Sieger“ ab.

Ardi Goldman ist berührt von Kunst des Bildhauers Klaus Prior. Mit dem „Parcours des Widerstands“ lädt er auf dem Unionsgelände zur Besichtigung an. Hier im Bild Ardi Goldman vor Priors Figurenensemble „Pietá“. Foto: Edda Rössler
Ardi Goldman ist berührt von Kunst des Bildhauers Klaus Prior. Mit dem „Parcours des Widerstands“ lädt er auf dem Unionsgelände zur Besichtigung an. Hier im Bild Ardi Goldman vor Priors Figurenensemble „Pietá“. Foto: Edda Rössler

Klaus Prior (76), der aus Protest gegen die faschistische Vergangenheit Deutschlands mit 18 Jahren in die Schweiz emigrierte, lebt und arbeitet in der Schweiz. Seit vielen Jahren wird er von dem in Dreieich ansässigen Galeristen Eric de Castro vertreten, und somit wurde Goldman mit seinem Schaffen vertraut. „Ich war sprachlos, als ich sein Werk entdeckte“, sagt Goldman.

Die Atemlosigkeit und die Unmittelbarkeit sind ein Erkennungszeichen der Kunst Priors. Der Künstler schlägt seine Figuren ohne vorgefertigte Skizzen mit einer Kreissäge aus dem Holz. Wie klobige Steinbrocken ragen sie empor und vermitteln als Mahnzeichen klare Botschaften.

Mit der Auswahl von „Golem“, „Pieta“, „Die Umschlungenen“ und „Der Sieger“ zieht Goldman sowohl Parallelen zu seiner Vita als auch zu politischen Ereignissen. „Es ist ein Blick auf den Abgrund des zwanzigsten Jahrhunderts, eine konzentrierte Geschichte meines Lebens und eine Liebesgeschichte.“ Als ein Sieger versteht er sich, dessen Vater das Warschauer Ghetto überlebte und später bei einem Autounfall zusammen mit den beiden Schwestern Goldmans verstarb. Einzig Überlebender des Unfalls war Ardi Goldman.

Den listig wirkenden Golem hat der Legende nach der Prager Rabbi Löw im 16. Jahrhundert zum Schutz der Juden aus Lehm erschaffen. Bei Priors Figuren-Ensemble „Pietà“ kommt der Kunsthistoriker allerdings ins Grübeln. Die traditionelle Darstellung der Maria, die auf das liegende Christuskind voller Anteilnahme schaut, wurde hier umgekehrt. Ein Mann sieht auf eine liegende Frau herab. Ob er mit ihr Mitleid verspürt, bleibt der individuellen Interpretation überlassen. „Diese Pietá kann auch als Symbol für all die im Krieg geschändeten Frauen verstanden werden“, sagt Goldman.

Ebenso doppeldeutig kann die Figur „Die Umschlungenen“ verstanden werden. Auf den ersten Blick begeisterte sie Goldman als ein Liebespaar, dem man gerne den Zutritt zum Club Fortuna Irgendwo gewähren würde. Doch Prior erinnert hier an Massaker, als Liebespaare engumschlungen und nackt gemeinsam in den Tod gingen. „Das Leben konnten sie den beiden nehmen, aber ihre Liebe nicht, so das Fazit.

Getreu Goldmans Motto, dass Kunst ein Lebens- und Überlebensmittel ist, bietet sich der „Parcours des Widerstands“ zur Besichtigung an. „Bereits jetzt bewundern die Menschen diesen magischen Ort“, hat Goldman bemerkt. Auch in ihm steckt ein Stückchen Golem, wenn Goldman sein vierköpfiges Skulpturen-Ensemble zum „Magischen Dreieck des Lebens“ erklärt. „Haben wir nicht alle den Glauben an Wunder, an Zauberei und Magie? Auch die Liebe ist magisch.“ Genau aus diesem Grund schuf er den Club Fortuna Irgendwo, der Heil- und Pflegeanstalt, in der man nach Herzenslust analog flirten und daten darf.

Text und Foto von Edda Rössler
Veröffentlicht am 19. Mai 2022