Der Kunstherbst wird bunt – Saisonstart der Frankfurter Galerien in mehr als 30 Häusern in der ganzen Stadt

Es liegt eine Prise Fröhlichkeit in der Luft bei dem 27. Saisonstart der Frankfurter Galerien. Gleich am frühen Samstagabend stellte sich ein gutgelauntes Publikum ein, das offensichtlich Spaß am Flanieren und Kunstschauen hat. Die gute Laune wurde belohnt, denn die Frankfurter Galeristen präsentierten ein wahres Fest an originellen figurativen und abstrakten Positionen. In diesem Herbst rückt die Auseinandersetzung mit Malerei in all ihren Facetten den Vordergrund.

Professor Raimer Jochims Großmeister der Abstraktion, ist zu Gast bei Jacky Strenz. Foto: Edda Rössler
Professor Raimer Jochims Großmeister der Abstraktion, ist zu Gast bei Jacky Strenz. Foto: Edda Rössler

Ehrfürchtig scharten sich die Kunstjünger bei Jacky Strenz um den Großmeister der Abstraktion. Professor Raimer Jochims (85), lange Zeit auch als Rektor der Städelschule ein Begriff, war eigens zur Vernissage seiner 7. Ausstellung bei Strenz in die Galerie gekommen. Dort bespielen seine Bilder, Acryl- und Temperagemälde auf Span- und Hartfaserplatten sowie einige Zeichnungen, die Wände. „Ich bin gespannt, wie diese Werke aus den 70er Jahren ankommen“, sagt Jochims. Die zumeist in den Farben Grau und Blau gehaltenen Werke begeisterten mit höchst filigranen Farbverläufen, die sich an der Natur orientieren. „Ich zeige den Übergang von einer Farbe in die andere.“ Jungen Künstlern empfiehlt er, sich nicht nur auf Erfolg zu fokussieren, stattdessen die Arbeit und Ideen in den Mittelpunkt zu rücken. Dass man erfolgreich sein kann, beweist die sehenswerte Ausstellung. Jochims Werke strahlen vornehm, sie biedern sich nicht an und wirken noch heute zeitgemäß.

Seine Pinselstriche gleichen Donnerschlägen und treffen sich stets zum perfekten Rhythmus! Der finnische Künstler Jukka Rusanen bei Lachenmann Art.
Seine Pinselstriche gleichen Donnerschlägen und treffen sich stets zum perfekten Rhythmus! Der finnische Künstler Jukka Rusanen bei Lachenmann Art.

Lachenmann Art präsentiert den finnischen Künstler Jukka Rusanen (1980), dessen Werke in seinem Heimatland bereits in zahlreichen Museen vertreten sind. Seine ungestümen, gestischen Pinselstriche auf großformatigen Leinwänden gleichen Donnerschlägen und finden einen eigenen Rhythmus. Unverschämt treffsicher platziert er Farbe und Formen, so dass sich scheinbar abstrakte Linien in beschwingte Figuren verwandeln. „Intimate“ lautet der Ausstellungstitel, denn bei Rusanen dreht sich alles um Beziehungen, Beziehungen von Material, Rhythmus, Dingen und Menschen. Gern flicht er mitunter auch Textilien in seine Werke mit ein. „Meine Großmutter hat mir schon als Kind Häkeln, Stricken und Nähen beigebracht“, sagt der Künstler. Kennengelernt haben sich Galeristin Juliane Lachenmann und Künstler Jukka Rusanen bei einer Ausstellung in Berlin. „Ich war in seine Werke schockverliebt“, sagt sie. Das könnte auch anderen Kunstfreunden passieren.

Mensch und Tier: Der junge Maler Hartmut Kiewert stellt in der Galerie Christel Wagner aus. Foto Edda Rössler
Mensch und Tier: Der junge Maler Hartmut Kiewert stellt in der Galerie Christel Wagner aus. Foto Edda Rössler

Vor der Galerie Christel Wagner trifft ein DJ mit seinem „jazzy, groovy House-Style“ den Nerv des Publikums. Im Inneren finden die Ölgemälde des jungen Koblenzer Malers Hartmut Kiewert (1980) Anklang. Kiewert, der Malerei und Grafik an der Hochschule Kunst und Design in Halle studierte und sein Atelier in der Leipziger Spinnerei unterhält, brilliert mit einem nahezu fotorealistischen Stil und einer wohltuend warmen Farbpalette. Sein Sujet ist das Verhältnis von Mensch und Tier. Er plädiert, Tiere nicht mehr zu bloßen Nutztieren abzustempeln und setzt sein tierisches Personal selbstbewusst in Szene. So entdeckt man auch schon einmal ein kleines Lämmchen mitten auf einem Buchregal.

Kunst und Mode treffen aufeinander
Ist das Kunst oder ein Modesalon? Der Ausstellungsraum des 1822-Forums wurde von den jungen HfG-Künstlerinnen Isabell Hofmann und Un-Zu Ha-Nul Lee in eine schillernde Modeboutique namens „OUTSIDEIN CHEVALIER“ verwandelt. Sie präsentieren knallbunte, selbstentworfene Kleidungsstücke und Accessoires, die ihren Trägerinnen noch dazu „Schutz vor den Tücken der heutigen Zeit wie etwa Optimierungswahn und Engstirnigkeit“ versprechen. Das Glücksgefühl, das sich beim Betreten des Ladens einstellt, hängt auch mit ihrer liebevollen Gestaltung des Raumes zusammen. Das Kunstprojekt sei allen Ladenbesitzern ans Herz gelegt, so bereitet Shoppen gute Laune.

Isabell Hofmann (links) und Un-Zu Ha-Nul Lee haben den Ausstellungsraum im 1822-Forum in eine schillernde Modeboutique verwandelt. Foto: Edda Rössler
Isabell Hofmann (links) und Un-Zu Ha-Nul Lee haben den Ausstellungsraum im 1822-Forum in eine schillernde Modeboutique verwandelt. Foto: Edda Rössler

Bei der Galerie Anita Beckers erkennt man schon von außen die grell-bunte Malerei des Aachener Künstlers Armin Boehm (49). Der Meisterschüler von Jörg Immendorf, dessen Gemälde zudem im Städel Museum vertreten sind, zeigt in großen Formaten zumeist düstere, apokalyptische Szenen, die stilistisch der Malerei von Hieronymus Bosch, James Ensor und Max Beckmann nahe sind.

In der Galerie Anita Beckers sind die grell-bunten Werke des Aachener Künstlers Armin Boehm zu sehen. Foto: Edda Rössler
In der Galerie Anita Beckers sind die grell-bunten Werke des Aachener Künstlers Armin Boehm zu sehen. Foto: Edda Rössler

Über 30 Frankfurter Galerien in der Innenstadt und den Stadteilen bieten ein anspruchsvolles Programm und laden zu Besuchen ein. Mehr dazu auch unter https://www.galerien-frankfurt.de/

Text und Fotos von Edda Rössler
am 7. September 2021 veröffentlicht in Frankfurter Neue Presse