Die Meisterin der Inszenierung – Werkschau von Sandra Mann im Montez anlässlich der Verleihung der Goetheplakette

Was haben Thomas Mann, Eva Demski und Sandra Mann gemeinsam? Richtig, sie sind wie viele prominente Künstler und Wissenschaftler Träger der Frankfurter Goetheplakette. In diesem Jahr wurde der Künstlerin Sandra Mann (51) die verdienstvolle Auszeichnung für ihr Oeuvre, das sich aus Fotografien, Videos, Skulpturen und Rauminstallationen zusammensetzt, verliehen. Ihr genreübergreifendes Werk befasst sich mit aktuellen gesellschaftlichen Themen, die sie seismografisch aufspürt und ästhetisch umsetzt. So hinterfragt sie etwa das Verhältnis von Mensch und Natur oder inszeniert Genderthemen. Aus diesem Anlass präsentiert der Kunstverein der Familie Montez eine Werkschau ihrer Arbeiten der letzten Jahre.

Die Künstlerin Sandra Mann vor dem Farbfoto „Bulle auf Kuh“ Model Julia reitet auf der Kuh „Perle“ durch den Bayrischen Wald. Julia trägt dazu eine DDR-Polizeiuniform Fotograf: Edda Rössler
Die Künstlerin Sandra Mann vor dem Farbfoto „Bulle auf Kuh“ Model Julia reitet auf der Kuh „Perle“ durch den Bayrischen Wald. Julia trägt dazu eine DDR-Polizeiuniform
Fotograf: Edda Rössler

Lange schon wollte die an der HfG (Hochschule für Gestaltung) in Offenbach ausgebildete Künstlerin im Kunstverein Montez ausstellen. Immerhin war Montez-Chef Mirek Macke selbst einmal ihr Fotomodel und durfte sich in einem Mann-Foto das eigene Grab schaufeln. „Für mich ist der Kunstverein der Familie Montez der Ort, an dem sich alle Gesellschafts-schichten begegnen“, so Mann. Nicht der finanzielle Aspekt steht bei der Ausstellung im Mittelpunkt, wichtig ist ihr, dass die Botschaften gesehen und gehört werden.

So fragmentarisiert wie gesellschaftliche Dispute so vielgestaltig sind die zur Schau gestellten Exponate. Großformatige Farbfotos aus den Serien Night-, Day- und Waldlife bespielen neben Skulpturen die große Ausstellungshalle. In dem kleineren Raum befinden sich zumeist ältere Fotoarbeiten, darunter das preisgekrönte Foto „Sandra mit Bart“, auf dem die Künstlerin eine attraktive junge Frau mit Zigarette ablichtete. Diese Sandra hält das Foto eines Männerbartes vor ihre Lippen und kokettiert fröhlich mit traditionellen Genderzuweisungen.

Die Fotografien Sandra Manns, die sich auch als Malerin versteht und ihre Werke genauso anlegt, schielen nicht nach dem Schnappschuss oder dem Momenthaften. Als „Meisterin der Inszenierung“ drapiert sie Personen und Ambiente. Sie wartet auf die perfekte Pose. Dazu zählen auch Lichteffekte, die dem Arrangement Spontaneität und Frische verleihen. Ihre Szenerie in der bewegenden Serie „Waldlife“ schildert Mensch und Natur nicht mehr im harmonischen Einklang. Die Symbiose ist aus den Fugen geraten und ein Hauch von Melancholie durchzieht die Aufnahmen. Mann zeigt Schwebesituationen zwischen Zivilisation und Natur, in denen das Zurück zur Natur im Sinne Rousseaus nicht mehr funktioniert. Beide, Mensch und Natur, bewegen sich auf verlorenem Posten. Längst ist die Natur kein glücksverheißender Ort mehr, sondern ebenso fragil und ratlos wie der Mensch. Die Aufnahmen wirken morbide und zwielichtig, es scheint, als hätte Edgar Allen Poe mit dem Naturfanatiker Henry Thoreau Zwiesprache gehalten.

Doch bei Sandra Mann entdeckt man auch humorvolle Arbeiten wie etwa das freche Doppelporträt eines Sammlerehepaars.
Die Gesichter des auf den ersten Blick traditionell wirkenden Paares durchziehen grellen, schwarzen Sterne und Hörner. In dieser Aufmachung könnten sie sich auch für das Cover eines Heavy Metall-Albums zu empfehlen.

Ihr ikonografisches Vermögen enthüllt das großformatige Farbfoto „Schwarz Rot Gold“: Drei attraktive junge Frauen, leicht bekleidet und mit prallem Hinterteil, schreiten Arm in Arm durch den Wald. Sie gleichen Märchenfeen und natürlich trägt die eine lange schwarze Haare, eine zweite ist ein Rotschopf und die Blondine rundet die Inszenierung ab. Die Werke von Sandra Mann berühren und gehen ins kollektive Gedächtnis ein.

Sandra Mann „Netz Werke & Kollektives Gedächtnis“ Im Kunstverein der Familie Montez, noch bis zum 9. Januar 2021

Weitere Informationen unter www.kvfm.de

Text und Foto von Edda Rössler, veröffentlicht am 15. Dezember 2021 in Frankfurter Neue Presse