„Endlich frei“ – Gemälde von Susannah Martin in der Schaufenster-Ausstellung des Kunstvereins der Familie Montez

Text und Foto von Edda Rössler, am 6. April 2021 veröffentlicht in Frankfurter Neue Presse

„Endlich frei“, unter dem diesem Motto präsentiert die 1964 in New York geborene Malerin Susannah Martin elf großformatige Ölgemälde im Kunstverein der Familie Montez. Bei dem Blick von außen beeindruckt das Funkeln der farbintensiven Aktbilder, die zumeist nackte Frauen in spielerischen Posen in der Natur zeigen. War das Sujet „Aktbild“ in der Vergangenheit der Malerei ein männlich geprägtes, ist es noch heute selten, dass ausgerechnet eine Frau nackte Frauen zu ihrem Thema macht. Dabei interessiert Susannah Martin weniger das Voyeuristische, vielmehr geht es ihr um das Gefühl des Freiseins, des Einsseins mit sich und der Natur, das ihre Artgenossinnen erleben.

Künstlerin Susannah Martin und Mirek Macke, der Leiter des Kunstverein Familie Montez, vor ihrer Auftragsarbeit „Hero’s Journey“. Das Ölgemälde wurde von einem Schweizer Psychiater in Auftrag gegeben, der sich eine allegorische Auseinandersetzung mit den Theorien von Carl Gustav Jung wünschte. (Foto: Edda Rössler)
Künstlerin Susannah Martin und Mirek Macke, der Leiter des Kunstverein Familie Montez, vor ihrer Auftragsarbeit „Hero’s Journey“. Das Ölgemälde wurde von einem Schweizer Psychiater in Auftrag gegeben, der sich eine allegorische Auseinandersetzung mit den Theorien von Carl Gustav Jung wünschte. (Foto: Edda Rössler)

Wie kommt es, dass eine New Yorker Großstadtpflanze sprudelnde Seen, nahezu unberührte Wälder und verträumte Berge auf die Leinwand bannt, wundert man sich. Da mag es sein, dass sie sich als Amerikanerin an einem Naturverständnis orientiert, das ihr Landsmann Henry Thoreau in seiner Bibel für Naturliebhaber „Walden – Ein Leben in Natur“ postulierte. Die Liebe zur Natur, zum unbeschwerten Leben, ist auch eine prägende Kindheitserinnerung von Martin. „Meine Eltern waren Künstler und wir sind oft mit ihnen und Freunden nackt baden gegangen“.

Ihre Weibsgestalten kommen mitunter drall daher und sind nicht aufgehübscht. Frauen bei Martin sind mit sich und genialen Moment beschäftigt. Posieren allein, um zu gefallen, ist nicht ihre Sache. Dies schmälert ihre Attraktion jedoch nicht und lockt den Blick des Betrachters auf das gesamte Bildgeschehen mit all seinen schillernden Angeboten.

Susannah Marin orientiert sich stilistisch am Fotorealismus, sie inszeniert Motive, die sie anschließend fotografiert und dann auf die Leinwand überträgt. „Zu Beginn meiner künstlerischen Laufbahn übernahm ich die Fotos noch zu einhundert Prozent“, erinnert sie sich. Erst im Laufe der Zeit begann sie, die Motive zu verfremden und Landschaften selbst zu gestalten. So weilen ihre Protagonisten schon einmal in der Natur vor einem See, bei dem der bayrische Königssee Pate stand, während im Hintergrund ein Bergmassiv aus Colorado prangt. Diese ungewöhnliche Zusammenstellung irritiert jedoch keineswegs. Längst haben wir uns im digitalen Zeitalter an Parallelwelten und Zeitreisen gewöhnt. Schließlich chatten wir selbst per Zoom vor einem Bildhintergrund, der eine Südsee-Szenerie suggeriert und sitzen im Hessischen.

Etwas Verblüffendes entdeckte die Künstlerin bei ihrer Auseinandersetzung mit dem Thema Mensch und Natur. „Nur Menschen allein in der Natur darzustellen, wirkt beunruhigend“, sagt sie. Aus diesem Grund baute sie Plastik-Gegenstände, viel Kunststoff und Requisiten unserer Zeit mit ein in ihre Bilder. Diese Zutaten sorgen für Stabilität und verringern die Bedrohlichkeit, die wir in der alleinigen Auseinandersetzung mit Natur verspüren.

Susannah Martins Bildwelten zeigen Menschen in einer für sie vertrauten, angenehmen Situation, in der sie ganz sie selbst sein dürfen, gleichwohl halten sie uns auch einen Spiegel vor. Wir fragen nicht mehr, wer die schönste aller Frauen ist. Stattdessen werden wir zum Nachdenken darüber eingeladen, warum all das Plastikzeug und der Müll so wichtig sind, um wahre Schönheit zu genießen.

Die Schaufenster-Ausstellung „Endlich frei“, die der Besucher bequem von außen genießen kann, ist noch bis zum 25. April 2021 zu sehen.

Weitere Informationen unter kvfm.de