Erfolgreicher Saisonstart der Frankfurter Galerien – The Frankfurt Art Experience bringt Glamour in die Kunstwelt

Text und Fotos von Edda Rössler

Leicht gekürzt am 7.September 2020 in der Frankfurter Neuen Presse veröffentlicht

Vorbei sind die Zeiten, als Frankfurt sich als bloße Bankenstadt definierte. Der aktuelle Saisonstart der Frankfurter Galerien beeindruckt mit vielen unterschiedlichen Positionen von hoher Qualität und zeigt, dass Frankfurt durchaus auch in Sachen Kunst ein Schwergewicht ist. Die Galeristen vermeldeten am Wochenende einen hohen Besucherandrang. „Ich bin positiv überrascht, wie viele Leute in der Stadt in den Galerien unterwegs waren. Das ist ein gutes Zeichen nach dem Lockdown“, davon ist Galeristin Anita Beckers überzeugt. Zusammen mit den Kolleginnen Heike Strelow und Jacky Strenz war sie als Sprecherin der Galerien in engem Austausch mit Tyrone Vincent, der in diesem Jahr die zweite Frankfurt Art Experience verantwortete. Seine Walks und Talks begleiteten das Kunstwochenende und sorgten für einen weiteren Glamour-Faktor.

Fotografie ist nach wie vor ein zentrales Thema und in den „Stamm-Galerien“ wie etwa bei Peter Sillem mit großformatigen, farbintensiven Arbeiten von Frank Mädler und bei Wilma Tolksdorf mit der fluoreszierenden Werkserie Flowers des Künstlers Axel Hütte vertreten. In der Innenstadt lohnt es sich, die beiden diametral entgegengesetzten Positionen von Niklas Görke im 1822-Forum und von Johannes Franzen in der L.A. Galerie anzuschauen. Wahrend sich Görke (46) der Nassplattentechnik, einer fotografischen Technik aus dem Jahr 1850 bedient, verwendet der ehemalige Städelschüler Johannes Franzen (53) künstliche Intelligenz und erzeugt Bilder, die nicht der realen Welt entstammen. Görke geht in Frankfurt mit seinem Lastenfahrrad auf Motivsuche, sein Atelier und Dunkelkammer befinden sich in der auf dem Rad befestigten Laborbox. „Meine Fotos sind alles Unikate, die ich an Ort und Stelle entwickle.“ Favorisierte Motive sind nicht die bekannten, allzu touristischen Attraktionen. Er liebt es, Schnittstellen zu entdecken, die Alt und Neu miteinander in Beziehung setzen. Die schwarz-weißen Fotografien mit den vielen Grau-Nuancen gleichen Filmszenen, der Tatort ist die City.

Niklas Görke Foto Edda Rössler

Dagegen wirkt Johannes Franzen entspannt pragmatisch. „Ich lasse Maschinen lernen, Bilder zu erzeugen.“ Er füttert einen Generator mit vielen Bildern zu einem Thema, wie etwa Sonnenblumen, und lässt sich überraschen, was die Maschine mixt und ausspuckt. „Ich liege auf der Couch, während die Maschine arbeitet und schaue, was dabei herauskommt.“ In der L.A. Galerie, bei der er seit vielen Jahren vertreten ist, verblüffen Tableaus mit kleinformatigen Bildern, die immer eine eigene Geschichte erzählen.

Johannes Franzen Foto: Christes

Aktuelle malerische Positionen bewegen sich in der Begegnung von Figuration und Abstraktion. Doch auch Anklänge an altmeisterliche Darstellung, zumeist bei Vertretern der Leipziger Schule, spielen eine Rolle. Der trickreiche und feinsinnige Maler Ulf Puder (61), um den sich seine Galeristin Heike Strelow seit vielen Jahren bemühte, fühlt sich der Tradition der Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts verbunden. Dennoch stammen die Motive aus der Gegenwart, wie etwa die Darstellung eines Zeltplatzes, der zugleich ein Müllplatz sein könnte. Die Titel seiner Werke beziehen sich auf alte Meisterwerke. Puders Ölgemälde wirken ruhig und faszinieren mit einer einfachen Bildsprache, in der Stille und Chaos zugleich herrschen. Zwar entdeckt man keinen Menschen, doch dessen Wirken und die tiefgehenden Konsequenzen seines Wirkens sind omnipräsent.

Heike Strelow Ulf Puder Foto: Edda Rössler

Sich von der Faszination von Wolken treiben zu lassen, auch das ist ein beliebtes altmeisterliches Motiv, insbesondere in der holländischen Malerei. Galerist und Kunsthändler Jörg Schuhmacher präsentiert mit „Goethes Wolken“ Malerei des Niederländers Sebastian Spit. Der Künstler bezieht sich auf Johann Wolfgang Goethe, der großer Wolken-Liebhaber war und selbst gerne Wolken zeichnete. Spits Wolkenbilder entstehen, indem er an die 20 zarte Lasurschichten übereinanderlegt, so dass die Farben ähnlich durchlässig erscheinen wie echte Wolken, die aus vielen Wassertröpfchen gespeist sind.

Galerist Jörg Schuhmacher Foto: Edda Rössler

Mit Werken von Robert Klümpen (1973), einem ehemaligen Meisterschüler von Dieter Krieg, heute Professor für Malerei und Grafik in Halle an der Saale, ist der Galerie Hanna Bekker vom Rath eine bemerkenswerte Ausstellung geglückt. Da bespielen kleinere, figurative, oft ironische Formate neben großen Abstraktionen die Galeriewände. „Wir kannten ihn als virtuosen gegenständlichen Maler, doch die Abstraktion gehen wir gerne mit“, bekundet Galeristin Anja Döbritz-Berti. Interessant ist zudem Klümpens Auseinandersetzung mit seinem Maler-Vorbild Ferdinand Hodler.

Robert Klümpen Anja Döbritz-Berti Foto: Edda Rössler

In der Fahrgasse erfreuen spannende Positionen wie bei dem Maler Christian Hellmich (1977), der abstrakte Bildflächen gerne mit geometrischen Aufgliederungen verbindet, und mit Philipp Kummer (38), der zu Ausflügen in surreale Settings einlädt. Der von Kirsten Leuenroth präsentierte Hellmich arbeitet nachts und baut für den Betrachter „mehrere Einflugsschneisen“ in seine Bildwelten ein. Dabei verzichtet er auf eine einheitliche Perspektive. Philipp Kummer, der von Andreas Greulich vertreten wird, arbeitet narrativ und stellt meistens einen fantasievollen Protagonisten humorvoll in den Vordergrund, der sich in einer höchst amorphen Umwelt befindet. Seine Bildwelten könnten Videogames entnommen sein.

Kirsten Leuenroth Christian Hellmich Foto: Edda Rössler
Philipp Kummer Andreas Greulich

Bei Anita Beckers fällt Christopher Lehmpfuhls pastose Pleinair-Malerei auf. Lehmpfuhl ist ein Dokumentarist, der nicht den Fotoapparat benutzt, sondern vor Ort malt.

Anita Beckers Foto: Edda Rössler

Was sich alles mit dem Medium Zeichnung ausdrücken lässt, erlebt der Besucher in der Galerie Hübner & Hübner. 29 Künstler steuern hier unter dem Motto „auf und mit Papier“ höchst unterschiedliche und sehenswerte Werke bei. Aus der Fülle der Arbeiten sei auf die Aquarelle der Frankfurter Künstlerin Bea Emsbach und auf Kohlezeichnungen von Per Teljer verwiesen. Emsbachs Personal, in den für sie charakteristischen Rottönen angelegt, schweben durch den Raum. Teljer gewinnt selbst menschlichen Grenzsituationen noch satirische Momente ab wie etwa bei der Kohlezeichnung „Delirium Tremens“. Dass sich in dieser Ausstellung ein wahres Sahnehäubchen befindet, darauf soll zudem hingewiesen. Mit der Kohlezeichnung „Plattenspieler“ verblüfft Andy Warhol als großartiger Zeichner.

Galerist Ernst Hübner Foto: Edda Rössler
Per Teljer © Hübner&Hübner

Auf diese und viele weitere sehenswerte Ausstellungen darf sich der Kunstfreund in den nächsten Wochen freuen.

Weitere Informationen unter www.galerien-frankfurt.de