Ferhat Bouda – „Photographs and Diaries“

Bewegende Foto-Reportagen über das Leben der Berber im Fotografie Forum Frankfurt

Eine Berberfrau übernachtet in einer Höhle Im Vordergrund der Fotograf Ferhat Bouda Foto: Edda Rössler
Eine Berberfrau übernachtet in einer Höhle
Im Vordergrund der Fotograf Ferhat Bouda
Foto: Edda Rössler

Zurzeit bietet das Fotografie Forum Frankfurt eine Retrospektive des international renommierten, mehrfach ausgezeichneten Fotografen Ferhat Bouda. Er studierte Fotografie und ist Mitglied der Fotoagentur Agence VU. Seine preisgekrönten Foto-Essays, die in namhaften Zeitschriften wie The New York Times, Le Monde oder Geo erscheinen, gleichen visuellen Erzählungen. Seit zehn Jahren reist Bouda in abgelegene Wüstendörfer, zu Lehmbauten in die Berge und in traditionelle Stadtviertel Nordafrikas, um den Alltag der Berber zu dokumentieren.

Prägend für den Menschen und Künstler Ferhat Bouda waren seine Kindheitserlebnisse in Algerien. 1976 in der Kabylei als Sohn einer Berberfamilie geboren, wuchs er in einem politischen Umfeld auf, das die kabylische Muttersprache verbat. Seine Großmutter, die nach dem frühen Tod des Vaters aufopfernd für die Familie sorgte, wünschte sich, Filme in ihrer Muttersprache statt in arabisch anzuschauen. Da nahm sich Ferhat Bouda schon als kleiner Junge vor, selbst Filme in kabylisch zu drehen, die die Großmutter erfreuen sollten. Doch das Leben hatte andere Pläne mit ihm, statt der Filmkamera wählte er den Fotoapparat. Seine Großmutter hat er dennoch erfreut.

Ferhat Bouda und das Porträt seiner Großmutter Foto: Edda Rössler
Ferhat Bouda und das Porträt seiner Großmutter
Foto: Edda Rössler

Seine oft großformatigen, schwarzweiß Digital-Aufnahmen gleichen Filmszenen und laden ohne Sentimentalität, aber mit Empathie zur Anteilnahme ein. „Ich arbeite aus meinem Instinkt heraus“, sagt Bouda. Er stellt keine Statements zur Schau und versteht sich nicht als Krisenberichterstatter.“ Ich erforsche, wie Menschen in Notsituationen leben.“ Bei seinen Reportagen geht er behutsam und respektvoll vor. „Ich lebe mit diesen Menschen. Ich rede mit ihnen. Ich übernachte dort und teile deren Leben.“

So entstanden bewegende Foto-Berichte wie etwa aus der Mongolei in Ulan-Bator. In einem Extremwinter starb das Vieh der Nomaden, sie waren gezwungen, in der Kanalisation zu übernachten. Tagsüber sammelten sie Müll auf einer Müllhalde, um ihren Unterhalt zu bestreiten. Wie kaum einem anderen Fotografen gelingt es Bouda, Menschen in verzweifelten Situationen würdevoll zu porträtieren und dennoch ihre prekäre Lage zu schildern. Diese einfühlsame Sicht unterstreichen auch die Bildtitel, die die Namen der abgebildeten Personen nennen. So werden aus anonymen Schicksalen konkrete. Wer einmal einen Blick etwa auf die Fotografie „Baatar mit seiner Frau Nergui in der Wüste Gobi“ geworfen hat, der wird die horrenden Schneemassen und die verhärmten Gesichter nicht vergessen. Wie ein Monument rückt da das Porträt eines Ehepaars in das Blickfeld. Obgleich die umgebende Natur ihre Existenz bedroht, rücken sie zusammen und trotzen dem Unbill.

Aus der gleichen Zeit datiert auch die Großaufnahme eines 16jährigen Mädchens. Hier scheint es, als hätte der Maler Edvard Munch und dessen Gemälde „Der Schrei“ Pate gestanden. Doch das Mädchen ist derart verzweifelt, dass sie längst nicht mehr schreien kann. Ihr Schicksal liegt tief vergraben in ihrer Seele und genau das hat Bouda mit seiner Kamera eingefangen.

Porträt eines verzweifelten jungen Mädchens Im Vordergrund der Fotograf Ferhat Bouda Foto: Edda Rössler
Porträt eines verzweifelten jungen Mädchens
Im Vordergrund der Fotograf Ferhat Bouda
Foto: Edda Rössler

Auf die Frage, ob es nach der Pandemie, in der Reisen nicht einfach war, ein „Traumprojekt“ gäbe, das ihm wichtig sei, antwortet er:
„Mein Traumprojekt wäre, dass Lösungen für die verzweifelten Menschen gefunden werden, über die ich berichtet habe.“ Einmal klappte das, erinnert er sich. Da hatte er drei Personen fotografiert, die das Militär in Mali inhaftierte. Das Foto wurde in einer französischen Zeitschrift, die dann auch in Mali zu lesen war, veröffentlicht. Die Familien der Inhaftierten, die derenTod befürchtet hatten, konnten sich wieder mit ihnen in Verbindung setzen.

Neben den Fotografien, die in fernen Ländern entstanden, sind in der aktuellen Ausstellung auch Aufnahmen aus Frankfurt zu sehen. „Frankfurt ist meine zweite Heimat. Ich lebe und arbeite hier.“ In diesen Aufnahmen berichtet er über das Bahnhofsviertel oder über eine Hochzeit von Punks. Sogar einen Wunschbaum in einem Frankfurter Park hat er fotografiert. Statt der vielen kleinen Wunschzettel hängen Fetzen von Toilettenpapier in den Ästen.

Mehr über Ferhat Bouda und seine Beobachtungen verraten zudem die ausgestellten, bunten Diaries, die voller Zeichnungen und Notizen sind.

Die Ausstellung ist noch bis zum 15. Mai geöffnet. Weitere Informationen unter www.fffrankfurt.org

Foto und Text Edda Rössler
Am 25. März veröffentlicht in Frankfurter Neue Presse