Filigran oder sexy – Die Fahrgasse-Galerien bieten beides

In den Fahrgasse-Galerien bespielen noch bis Ende August höchst unterschiedliche Künstlerpositionen die Galeriewände. Die Unterschiede beginnen bereits im Arbeitsmaterial. In der Galerie Maurer, die seit vielen Jahren einen Schwerpunkt auf Papierarbeiten legt, begeistert Zipora Rafaelov mit feinsinnigen Papierschnitten. Bei Leuenroth treiben sexy aufgeladene Ölgemälde von Tanja Selzer dem Betrachter die Schamesröte ins Gesicht.

„Lea’s Eyes“, so der Titel der Schau auf die großformatigen Papierarbeiten von Zipora Rafaelov in der Galerie Maurer. Die in Israel geborene Künstlerin (1954) lebt und arbeitet in Düsseldorf und in Tel-Aviv. Dreh- und Angelpunkt ihrer Kunst ist die Auseinandersetzung mit der Tora, der hebräischen Bibel. Der Künstlerin gefallen die hier geschilderten, starken Frauenfiguren. Eine Frau soll selbstbestimmt leben, das ist Rafaelovs Maxime. So ist es folgerichtig die hartnäckige Lea und nicht ihre attraktive Schwester Rahel, auf die sich Rafaelov im aktuellen Œuvre bezieht.

Galeristin Brigitte Maurer vor einem Werk von Zipora Rafaelov Foto: Edda Rössler
Galeristin Brigitte Maurer vor einem Werk von Zipora Rafaelov Foto: Edda Rössler

Die filigranen und ausdrucksstarken Papierwelten fesseln. Beschwingte, einem Labyrinth ähnelnde Tuschelinien auf dem Pergament laden zum näheren Betrachten ein. Schnell erkennt man darin verborgene Frauenfiguren, Pflanzen und Tiere. „Zipora fertigt vorab eine Skizze an“, informiert Galeristin Brigitte Maurer. „Doch beim Schaffensprozess verändert sie ihre Pläne.“ Plötzlich übernimmt das Unterbewusstsein die Regie. Bei den Arbeiten, die sie auf der Rückseite des Blattes anfertigt, ist das Zeichnen genauso wichtig wie das Herausschneiden von Flächen. Die Arbeit wird dann sowohl im Hinter- als auch im Vordergrund auf einer Glasscheibe befestigt, mitunter glänzt der Hintergrund in einer zarten Farbe. Je nach dem Lichteinfall verändern die Werke ihre Aussage und wirken plastisch. Die in der Pandemiezeit entstanden Arbeiten, die die Künstlerin in dem Zyklus „Magic Forest“ zusammenfasst, wirken streng und geometrisch. Nur noch Pflanzen und Tiere sind dort angesiedelt, der Mensch bleibt ausgesperrt. Das Paradies findet in seiner Abwesenheit statt.

„Secret Liquids“ – viel Fleischeslust bei Leuenroth

Galeristin Kirsten Leuenroth vor Werken von Tanja Selzer Foto: Edda Rössler
Galeristin Kirsten Leuenroth vor Werken von Tanja Selzer Foto: Edda Rössler

Ganz im kernigen Diesseits befangen, sind dagegen die sinnlichen Werke von Tanja Selzer. Die in Idar-Oberstein geborene Malerin Tanja Selzer (1970) kommt in ihren Ölgemälden rasch auf den Punkt: In der Galerie Leuenroth laden rund zehn Ölgemälde, zumeist erotischen Inhaltes, zur Natur- und Fleischbeschau an. Die Motive leitet die in Berlin lebenden Künstlerin aus Pornofilmen ab, setzt die Figuren dann aber im locker-lässigen Stil schwungvoll in eine Fantasie-Natur. Dabei wenden die Modelle den Blick vom Betrachter ab und sind ganz sinnlich mal bei sich allein, mal bei Gespielinnen oder Gespielen. Es wäre zu platt ihren figurativen Stil als realistisch zu beschreiben, spielen doch der individuelle Farbauftrag, der betonte Farbauftrag sowie reizvolle Licht- und Schatteneffekte bei Selzer eine Rolle. Wie genussvoll die Ausstellung ist, beweist der Protest einer Passantin. „Am Vernissagen-Abend bat sie mich, die erotischen Gemälde so aufzuhängen, dass sie von der Straße her nicht einsehbar sind“, erinnert sich Galeristin Kirsten Leuenroth mit einem Lachen. Schön, dass die Galeristin standhaft blieb und nichts veränderte. Diese Malerei ist ein wahres Vergnügen, selbst von der Straße aus im Vorübergehen betrachtet.

Weitere Informationen www.galerie-maurer.com bzw. www.galerieleuenroth.de

Text und Fotos von Edda Rössler, am 20. August 2021 veröffentlicht in Frankfurter Neue Presse