„Haloxylon“ – Eine Wüstenpflanze halt Einzug in die Kunst

Ausstellung mit Werken von Manuela Toselli in der Frankfurter Westend Galerie

Text und Foto von Edda Rössler, am 1. Oktober 2020 in der Frankfurter Neuen Presse veröffentlicht

Die Frankfurter Westend Galerie, die sich auf die Präsentation italienischer Künstler konzentriert, zeigt derzeit Werke der 1971 in Udine geborenen Künstlerin Manuela Toselli. Der Ausstellungstitel lautet „HALOXYLON“ und bezieht sich auf die Auseinandersetzung der Künstlerin mit dem in den Sandwüsten Afrikas und Asiens weit verbreiteten Wüstenbaum gleichen Namens. Der Baum ist für die Künstlerin gleichwohl ein Symbol für Kunst und Kunstschaffende. Wächst die Pflanze mit viel Widerstandskraft unter widrigen klimatischen Verhältnissen, liefert sie dennoch Brennholz und damit einen wertvollen Beitrag für menschliches Leben. Auch die Kunst entsteht ihrer Meinung nach oft unter schwierigen Verhältnissen und die Künstler reagieren seismologisch auf Schwachstellen der Gesellschaft und bringen sie in den Diskurs.

Galerie-Leiterin und Kuratorin Barbara Thurau vor einem Werk von Manuela Toselli Fotograf: Edda Rössler
Galerie-Leiterin und Kuratorin Barbara Thurau vor einem Werk von Manuela Toselli
Fotograf: Edda Rössler

Mit diesem Bekenntnis zur gesellschaftlichen Rolle und Verantwortung der Kunst hat Toselli keineswegs Werke geschaffen, die mit agitatorischer Wucht daherkommen. Vielmehr zeichnet sich ihr in der Westend Galerie gezeigtes Oeuvre durch behutsame, filigrane und sensible Arbeiten aus. Die Konzept-Künstlerin arbeitet mit dem „Material“ Seide, die sie als kostbar, wärmend und vielschichtig empfindet und genau so darstellt. „Manuela Toselli verbindet mit Seide auch einen Hinweis auf menschliche Haut“, informiert Galerie-Leiterin und Kuratorin Barbara Thurau.

In den über 30, zumeist kleineren quadratischen Werken wird die Seide geflochten, gehäkelt und in kleinste Fädchen vertikal und horizontal auf den Bildträger, einem mit Filz oder Baumwolle umspannten Holzrahmen, gelegt. Dabei entstehen Konstrukte, die an Organismen erinnern und ein Eigenleben führen. „Der Entstehungsprozess gleicht einer meditativen Tätigkeit“, berichtet Barbara Thurau. „Mitunter hat Manuela Toselli an einem Werk schon einmal einen Monat lang täglich stundenlang gearbeitet.“

Die Künstlerin legt ihr Werk in Zyklen an und in der aktuellen Ausstellung darf man sich über zwei grundverschiedene Werkzyklen freuen. Vor der Corona-Pandemie schuf die Künstlerin nahezu farblos wirkende Objekte, indem sie gröbere Naturfasern in Weiß und Hellbraun um Bildträger wickelte und damit die Aufmerksamkeit auf das kunstvoll arrangierte Material lenkte.

Nach Ausbruch der Pandemie und während des Lockdowns sehnte sie sich nach Farbe, Wärme und Licht. Es entstanden schillernde, textile Farbskulpturen, inspiriert von den Farben des Himmels. Auch hier wickelt sie wieder, dieses Mal kleinste Seidenfädchen, behutsam um den Bildträger. Selten erlebt man Farben wie Türkis, Blau, Rot oder Gelb und deren Übergänge so leicht und so ätherisch. Spontan verspürt man den Drang, in die filigranen Farbwelten einzutauchen. Damit die Sehnsüchte nicht allzu lieblich in Erscheinung treten, hat die Künstlerin klug vorgebaut und für ihre Werke die „strenge“ Quadratform gewählt, die der puren Emotion der Farbe einen standhaften Rahmen verleiht.

Die Ausstellung „Manuela Tosseli – Haloxylon“ ist noch bis zum 30. Oktober 2020 geöffnet.
Am 25. Oktober lädt die Frankfurter Westend-Galerie um 11 Uhr zur Matinee „Seide/Seta“ mit Lesung in der Ausstellung ein. Die Teilnahme ist kostenfrei. Um Voranmeldung wird gebeten unter galerie@div-web.de