In Italien blühen nicht allein die Zitronen – „Locus Amoenus“ in der Westend Galerie

Schon Johann Wolfgang Goethe schwärmte von der erbaulichen Landschaft und der facettenreichen Natur Italiens. Mit Dany Vescovi (1969) bietet die Westend Galerie Werke eines italienischen Künstlers, in denen die Auseinandersetzung mit Natur und Pflanzen eine zentrale Rolle einnimmt. An die 20 Gemälde des Mailänders, alles Mischtechnik auf Papier oder Leinen, laden zur Reflexion über Natur ein.

Barbara Thurau, Galerie-Leiterin Frankfurter Westend Galerie, Dany Vescovi und Dr. Carolin Lüderssen, Vorstand Deutsch-Italienische Vereinigung (vlnr) Foto Edda Rössler
Barbara Thurau, Galerie-Leiterin Frankfurter Westend Galerie, Dany Vescovi und Dr. Carolin Lüderssen, Vorstand Deutsch-Italienische Vereinigung (vlnr)
Foto Edda Rössler

Doch Vorsicht, der Ausstellungstitel „Locus Amoenus“ kann täuschen. Traditionell verstanden wird er als ein Ort, in dem eine ideale Landschaft die Kulisse für sinnliche Genüsse bietet. Zumeist erquicken sich die Protagonisten in einem lichten Hain, auch ein Bach darf nicht fehlen, an Vogelsang und Blumen. Denkt man an „Locus Amoenus“, denkt man zugleich an die drei Gemälde „Einschiffung nach Kythera“, die der Rokoko-Künstler Jean-Antoine Watteau im Jahr 1710 schuf. In dem mystischen Reich Kythera wird der Liebe gefrönt.

Der analytisch arbeitende Künstler Dany Vescovi ist weit entfernt, Liebesfreuden, süße Momente und verzuckerte Situationen abzubilden. Rational erforscht er Naturformen, vor allem Blumen und Pflanzen, auf ihre Typik. Wie ein Wissenschaftler entkernt und seziert er Knospen, Blüten und Blätter, um ein scheinbares Regelwerk zu entdecken. Diese Typisierung führt an die Grenze zur Ornamentik.

Obwohl Vescovi sein Schaffen nicht vordergründig als italienische Kunst verstanden wissen will, ordnet er sich durchaus in eine „italienische Maltradition“ ein. „Mag sein, dass die italienische Malerei präziser arbeitet als das expressive Herangehen in anderen Ländern“, überlegt er. Body Art und Actionpainting, Kunstformen, die von der spontanen gestischen Darstellung und vom Zufall geprägt sind, seien in seinem Land seltener vertreten.

Vescovis Gemälde geben dem Betrachter zu verstehen, dass die Natur immer schon da war und dass ihr Perpetuum Mobile und ihre Energie die menschliche Existenz überdauert. „Noli me tangere“, berühre mich nicht, sagen diese Pflanzen. Doch wenn sich der Betrachter auf die Bildwelten einlässt, entdeckt er versöhnliche Momente, jenseits von Kühle und Verstand. Durch den geometrischen Bildkosmos Vescovis gleiten bunte Kreise wie freche Seifenblasen. Ein weiteres Erlebnis sind zudem die zumeist in warmen Tönen angelegten, mitunter bunten Farbhintergründe, die von vertikalen Linien zart durchgezogen werden. Hier offenbart der Künstler ein famoses Farbgefühl, dessen Ästhetik die Bildstrenge wohltuend kontrastiert.

Die Ausstellung ergänzen zwei Werke von Künstlerkollegen, die Dany Vesovi „eigens deswegen auswählte, „weil sie mit seiner Kunst nichts zu tun haben“, informiert Galeristin Barbara Thurau augenzwinkernd. Dennoch, sehenswert sind die beiden Installationen „Casa Dogon con origano“ von Arcangelo und die „Lightbox“ von Dania Zanotto auf jeden Fall.

Die Ausstellung „Locus Amoenus“ mit Werken von Dany Vescovi ist noch bis zum 25. November 2022 geöffnet. Weitere Informationen unter Deutsch-Italienische Vereinigung

Text und Foto von Edda Rössler
Veröffentlicht in Frankfurter Neue Presse am 15. November 2022