„jetzt du“ – Ölgemälde von Manuel Stehli bei Schierke/ Seinecke

Es ist fast so, als würde man einen Ausflug in den Süden unternehmen, wenn man durch die Schaufenster der im Bahnhofsviertel gelegenen Galerie Schierke/ Seinecke blickt und Werke des Schweizer Malers Manuel Stehli entdeckt. Die zumeist großformatigen Ölgemälde des Künstlers, der mittlerweile in Berlin lebt und arbeitet, zeigen lebensgroße, abstrahierte Gestalten, Männer und Frauen, die sich vom Betrachter abwenden und in ihrer Welt versunken sind. In welch unterschiedlichen Situationen sie sich auch befinden, alle Werke verbindet eine warme und dezent zurückhaltende Farbpalette. Helle, beige, sandige und erdige Flächen kreuzen weiße, mitunter steigern ein zartes Hellblau, ein leichtes Rosa oder ein warmes Grau und Gelb den Reiz des Bildes.

„Die Figuren treten in eine Art des Nicht-Dialogs“, davon ist Galerist Daniel Schierke überzeugt. Im Hintergrund ein Ölgemälde von Manuel Stehli. Foto: Edda Rössler
„Die Figuren treten in eine Art des Nicht-Dialogs“, davon ist Galerist Daniel Schierke überzeugt. Im Hintergrund ein Ölgemälde von Manuel Stehli.
Foto: Edda Rössler

Stehlis Personal scheint miteinander vertraut und dennoch schallt durch ihre Welt eine große Stille. So als wäre der Ton in einem Film oder in einem Computerspiel ausgefallen und man muss genau hinsehen, um zu verstehen. Vielleicht, fragt man sich, handelt es sich bei den Figuren um Stellvertreter oder um Avatare? Oder zeigt der Künstler Menschen, denen das Vermögen und der Wille zu Gesprächen nach der Pandemie abhandengekommen ist? Andererseits, vielleicht sind sie derart intim miteinander, dass ihnen die bloße Andeutung von Gesten genügt? Geschickt rückt Stehli seine Figuren so ins Bild, dass sie ungefähr und flüchtig bleiben, doch immer vertraut.

Wie war das noch einmal vor der Pandemie, als wir gestresst von Termin zu Termin hetzten und oft nur im Vorübereilen einen flüchtigen Blick auf Menschen erhaschten? Stehli lädt zum gründlichen Schauen ein und streut dezent Indizien und Hinweise. Obwohl er Gesichter nur schemenhaft andeutet, verraten Hände, Finger, mitunter sogar Fußberührungen, Schuhe oder die Drehung der Ohren viel über Zwischenmenschliches. Der Betrachter ist eingeladen, Verhältnisse zu klären und wird dafür mit einem höchst ambitionierten malerischen Angebot belohnt. Es ist geprägt von einer zielsicheren Platzierung der Figuren im Raum und einem Spiel von nahezu abstrakt nebeneinander gelegten Farbflächen.

Mit Manuel Stehli, den die Galeristen Daniel Schierke und Ralf Seinecke jetzt zum zweiten Mal mit einer Einzelausstellung würdigen, ist das Galeriekonzept aufgegangen. Sie verstehen sich auch als Trendscouts für erfolgversprechende Newcomer, die sie langfristig aufbauen. Stehli entdeckten sie bereits 2014, als er noch in Leipzig an der Hochschule für Grafik und Buchkunst bei Annette Schröter studierte. 2015 nahmen sie ihn in ihr Galerienetz auf. Mittlerweile macht Manuel Stehli nicht allein in Deutschland auf sich aufmerksam: Im Juni wird er in Paris mit einer weiteren Einzelausstellung für Kunstgenuss sorgen.

Die Ausstellung „Jetzt Du“ mit Werken von Manuel Stehli ist noch bis zum 9. Mai 2021 durch das Galerie-Schaufenster von Schierke/ Seinecke zu sehen.

Weitere Informationen unter www.schierkeseinecke.com

Text und Foto von Edda Rössler, am 28. April 2021 veröffentlicht in Frankfurter Neue Presse