Kunst zu vermitteln ist in Frankfurt besser denn je

Interview mit Tristan Lorenz, Frankfurter Galerist und Sprecher der IG Galerien

In Auszügen in der Frankfurter Neuen Presse am 4. Oktober 2019 veröffentlicht

von Edda Rössler

Der Galerist Tristan Lorenz vor seiner Galerie in der Fahrgasse. Sie wurde Ende September geschlossen.   Fotograf: Edda Rössler
Der Galerist Tristan Lorenz vor seiner Galerie in der Fahrgasse. Sie wurde Ende September geschlossen.
Fotograf: Edda Rössler

Wie sieht es eigentlich in der Frankfurter Galerieszene nach dem diesjährigen fulminanten Galeriestart aus? Edda Rössler sprach mit dem Galeristen Tristan Lorenz (39), dem Sprecher der IG Galerien über aktuelle Entwicklungen, Tendenzen und Probleme.

Herr Lorenz, der diesjährige Saisonstart war ja ein besonderer. Zum einen feierte man das 25-jährige Jubiläum des Zusammenschlusses der Frankfurter Galerien zur Interessengemeinschaft – der IG Galerien. Zudem erlebte das Frankfurter Publikum die erste Auflage des von Tyrown Vincent angeschobenen Kunstprojektes „The Frankfurt Art Experience“. Hat das dem Galeriestart noch einen Schub verpasst?

Definitiv. Das war ein Riesenschub und es war genau richtig zu diesem Jubiläum platziert worden. Und das war ja eigentlich meine Idee, das zu verquicken als fulminanter Auftakt, zu zeigen, dass Frankfurt Kunst kann. Dass wir in dieser Größe agieren können als Stadt in Kombination mit der Messe, diesen Walks und Talks mit dem Saisonstart zu dem Jubiläum. Und das ist erst der Anfang, hoffe ich.

Muss sich denn Frankfurt als „Kunststadt“ noch beweisen?

Ich denke, man hat in den letzten Jahren sicherlich gemerkt, dass andere Städte da etwas dynamischer waren und sich vor allem in der Außenwirkung gut präsentieren konnten. Und Frankfurt da ein bisschen Aufholbedarf hat. Gerade im Hinblick auf die Messe, gerade im Hinblick auf die Attraktivität für Außenstehende und für Nicht-Frankfurter. Frankfurt für Frankfurter ist immer eine wunderbare, erlebnisreiche Stadt. Gerade für die Außenwirkung kann Frankfurt, gerade die Kunstszene, doch sehr viel tun.

Der Event wurde mit 140 000 Euro vom Wirtschaftsdezernat gefördert und nicht vom Kulturamt. Wieso das?

In den Dialogen und in den Vorbereitungen der letzten Jahre zum Saisonstart ist uns als Organisatoren aufgefallen, dass es gerade den „Nichtkultur-Treibenden“ nicht wirklich auf dem Schirm war, dass es Galerien und Kultur in so einer Dichte, vor allem Galerien in dieser Mischform zwischen Kommerz und Kultur gibt. Dass es als Produkt, als geschlossenes Produkt und Konzept, für die Stadt verfügbar ist. Und das hat die Stadt gerade durch diese Änderung des Saisonstarts der letzten drei Jahre erkannt und das Wirtschaftsdezernat in diesem Fall als greifbares Segment für die Stadt und für die Tourismusbranche erkennen können und umsetzen wollen. Das Kulturamt ist mit uns immer im Dialog, aber hat natürlich ganz andere Zielsetzungen, eher eine interne, introvertiertere für Frankfurt als das Wirtschaftsdezernat und das Tourismusamt, die eine andere Zielsetzung haben.


Sind die Galerien zufrieden mit dem Dialog mit dem Kulturamt?

Ich würde den Dialog nicht nur auf das Kulturamt reduzieren, sondern gesamt auf die Stadt. Was der Event ja gezeigt hat, ist, dass wir Dialog brauchen. In der Zusammenarbeit und gemeinsam sehr viel weiter vorankommen. Und wenn die Galerien
als das, was sie sind, erkannt werden, sowohl als Kulturschaffende aber auch als Wirtschaftsfaktor, als sehr gut vernetzte, international agierende Einzelhändler, dann sind die richtigen Stellschrauben gesetzt. Der Dialog zum Kulturamt ist in erster Instanz wichtig, aber dann mit allen anderen Institutionen Frankfurts auch.


Frankfurt als Kunststandort – brauchen wir eine Kunstmesse?

Das befürworte ich. Deswegen haben wir auch versucht, die Messe hier zu etablieren mit der „Paper Positions“. Weil ich wusste, es war sowohl der Wunsch der Galerien als auch der Wunsch der Messe, sich in Frankfurt zu positionieren, immens war. Das sieht man ja auch in diesem Jahr, dass Jahr 20 Galerien aus Frankfurt das Konzept unterstützen. Das ist nicht Standard. Die Sub-Botschaft heißt, wir wollen eine Messe hier etablieren und unterstützen sie mit eigenem Aufwand. Dementsprechend glaube ich, dass Frankfurt als Messestadt von einer Kunstmesse profitiert, wenn sie diese auch hier halten kann und möchte.

Wie ist der „Zufriedenheitspegel“ bei den Frankfurter Galerien?

Sehr heterogen. Eine einmalige Förderung und eine punktuelle Förderung ist sicherlich wunderbar, aber im Prinzip brauchen Galerien mehr als eine finanzielle Förderung. Sie brauchen kontinuierliche Unterstützung, sei es durch Räumlichkeiten, sei es durch Vernetzungen, sei es durch Kooperationen, sei es durch Wahrnehmung ihrer Arbeit. Das ist eine Sache, die die Stadt sicherlich generieren kann. Und die Galerien im gesamten und im einzelnen alle sich wünschen. Die immer wieder im Dialog auftauchen und die auch jede Galerie braucht.

Die Fahrgasse ist sozusagen das „Epizentrum“ der Frankfurter Galerieszene. Ihre
Galerie ist hier seit sieben Jahren ansässig. Hat sich viel verändert im Lauf der Jahre?

Es ist ein starker Wechsel zu verspüren. Natürlich, die neue Altstadt zieht zwar viele Menschen in ihren Bann, aber dementsprechend werden auch die Mietpreise sehr stark erhöht. Der inhabergeführte Einzelhandel verschwindet, es entstehen Ketten, die Mietpreise steigen um ein Vielfaches, das macht vielen Einzelhändlern und besonders auch den Galerien zu schaffen. Man überlegt sich sicherlich als Galerie und als Einzelhändler im allgemeinen, ob man diesen Standort weiter bespielen möchte. So wird auch die Fahrgasse in der nächsten Zukunft immer weniger als Kultur- und Galeriestraße wahrgenommen denn als Gastronomie-Straße, wie in vielen Straßen Frankfurts bereits.

Befürchten die Galeristen in der Fahrgasse Mietpreiserhöhungen?

Die Lage ist sicherlich attraktiver und ganz konkret gibt es Mieterhöhungen wie auch bei meiner Galerie, die das Normalmaß um ein Vielfaches übersteigen. Das ist eine Tendenz , die nicht allein die „Fahrgassen-Galerien“ betrifft, sondern sicherlich auch die umliegenden, innerstädtischen Galerien betreffen.

Gäbe es denn Ansätze, dies zu verhindern?

Sicherlich kann die Stadt durch eigene Liegenschaften da eingreifen und unterstützend helfen. Es wäre eine Überlegung, ob man zum einen durch Mietstaffelungen in Absprache mit privaten Vermietern eingreifen kann, respektive mit Förderungen. Es geht ganz klar um Förderung für Galerien, für Neugründungen, für „Jung-Galerien“. Es geht ja nicht nur darum, die „Alt-Galerien“ am Leben zu erhalten, es geht sicherlich auch darum, eine zweite Generation ins Leben zu rufen und die zu ermutigen, sich selbstständig zu machen. Und diesen Schritt überhaupt zu wagen.

Nicht nur eine Wirtschaftsförderung für bereits etablierte und/ oder bekannte Wirtschaftsformen zu generieren, sondern gerade auch für diese wunderbaren Geschäfte, die es in Frankfurt, wie es in jeder Stadt gibt, wie eben auch für Galerien. Das ist ein ganz großes Thema für Jungunternehmer.


Sie sind Kunsthistoriker, Galerist und Architekt – könnte man hier in der Fahrgasse auch mit kleinen Schritten etwas verbessern?

Definitiv. Wenn man sich die Fahrgasse anguckt, wie viele auch andere umliegende Straßenzüge, ist noch viel Potenzial für Stadtentwicklung und Standortgestaltung.

Die Fahrgasse ist eine verkehrslastige Straße, wenig attraktiv, städtebaulich wenig hübsch gemacht. Da kann man mit ganz wenig Aufwand den Straßenzug sicherlich verschönern und attraktiver machen für die Besucher sowohl für „Laufbesucher“ als auch für die Autofahrer oder Fahrradfahrer. Als wichtigste ehemalige Nord-Süd-Verbindung zwischen Sachsenhausen und dem Norden Frankfurts ist die Fahrgasse seit dem Mittelalter bekannt.

Insbesondere in Zeiten der Digitalisierung: Ist die Galerie nicht langfristig ein „Auslaufmodell“

Ich glaube nicht. Die Galerie muss sich wie der Einzelhandel einfach neu erfinden. Wir arbeiten sehr analog noch, wie viele andere auch. Ich glaube, die Herausforderung, die sich uns stellt, mit einem analogen Medium des Bildes, eines Kunstwerkes, trotzdem eine digitale Umsetzung zu gewähren. Trotzdem einen Raum zu bespielen. Am Ende zählt das lebendige, das physische Kunstwerk und das auch zu erleben. Das geht eigentlich nur in einem Raum. Trotzdem ist eine Galerien natürlich wie jeder Raum in einem Stadtgefüge herausgefordert, diesen am Leben zu erhalten. Das bedingt unser aller Verhalten, Sehverhalten, Kaufverhalten, das Verhalten in der Stadt, diese Vielfalt anzunehmen.

Wie ist es ihnen gelungen, ihren Kundenstamm über all die Jahre mitzunehmen?

Natürlich zum Teil durch die Messebesuche, die ich gemacht habe. Aber im Besonderen sicherlich durch die sehr Frankfurt spezielle Eigenschaft, dass es eine sehr kleine Großstadt ist. In der man sehr kurze Wege hat, mit Leuten in Dialog zu treten. D.h. bei Vernissagen als auch bei anderen Events sich zu treffen und sich in einem ziemlich heterogen Publikum aufzuhalten. Das heißt, eine Bankiersgattin trifft vielleicht eine Lehrerin und die Putzfrau. Das ist nur in Frankfurt möglich, ein sehr demokratisches Stadtverständnis, das sich maßgebend unterscheidet von Städten wie München und Hamburg, die sehr viel hierarchischer agieren. Das finde ich als Frankfurter, als hinzugezogener Frankfurter, als eine ganz wunderbare Situation. Um auch Netzwerke, Kundenbindungen zu erzeugen.

Wie sieht es mit dem Verkauf von Kunst im mittleren Preissegment aus? Kritiker beklagen, dass nur noch hochpreisige Kunst international bekannter Künstler wie etwa von Jeff Koons gut zu verkaufen ist.

Das glaube ich nicht. Das sind nur 10 Prozent, 5 Prozent bzw. 3 oder 2 Prozent, die die großen Namen kaufen, die sind doch nur in den jeweiligen, anteilig wenigen Groß-Galerien zu finden. Der Markt wird ja nicht repräsentiert von zehn Namen, Künstler- und Galeriennamen. Sondern die breite Masse an mittelständischen Galerien mit vernünftigen mittelständischen Künstlern, die regulär ihrer Arbeit nachgehen und die genau auch diese Kundschaft haben. Da muss man heutzutage nur etwas präsenter auf die Menschen zugehen. Gerade hier in Frankfurt ist das doch möglich, wenn man hier Bankentürme voll von „Young Professionals“ hat, die sich neu einrichten. Die Lust auf Kunst haben, da muss man die anders greifen, als noch vor 10 oder 20 Jahren. Da merke ich den Generationsunterschied sowohl der Galeristen als auch der Käufer. Das ist aber glaube ich die Herausforderung, die sich jede Generation seit Jahrhunderten stellten muss.


Wie ist sie denn – die heutige Käufergeneration?

Interessiert, die ist sehr interessiert. Wie bei jeder Generation gibt es Berührungsängste. Hat wenig Zeit, das ist die Herausforderung, die zu greifen. Sie anders abzuholen. Besondere Events, bei denen man etwas bieten kann. Gerade in Frankfurt ist man etwas verwöhnter. Eine reine Vernissage lockt auch niemanden mehr hinterm Berg hervor. Man muss sie einfach in Gruppen fassen und ihnen etwas zu bieten, vermitteln und erklären, warum das, was an der Wand ist, eine Relevanz und Qualität hat. Und als weitere Entscheidung das Auge des jeweiligen, sich zu trauen als Besucher zu schauen und sich zu verlieben. Das ist die Herausforderung, die man als Vermittler, als Galerist hinkriegen muss.

Eine traurige Nachricht: Sie schließen ihre Galerie Ende September – Wieso?

In den letzten zwei Jahren und dem großen Engagement für die IG, der „Frankfurt Art Experience“ und dem Saisonstart hat sich für mich einfach abgezeichnet, dass die zeitliche Bindung als Galerist mit einem fixen Raum konträr zu meiner Qualität als Vermittler, als Organisator steht. Ich vermittle sehr gerne das „Galeriethema“ nach außen, stelle die Brisanz und die Immanenz der Galeriearbeit sehr gerne in den Vordergrund. Das geht natürlich nur, wenn ich nicht in meiner eigenen Galerie stehe. Da war die Konsequenz daraus, gerade nach dem großen Auftakt der Frankfurt Art Experience jetzt zu sagen, jetzt konzentriere ich mich auf diesen Teil. Und kann trotzdem, all das, was ich in der Galerie aufgebaut habe, sowohl mein Netzwerk als auch meine Künstler, trotzdem ja auch weiter betreuen. Wenn auch in einer anderen Form. Nicht in einer raumabhängigen Form, aber in einer freien Form.

Diese Entscheidung ist also nicht die Konsequenz aus Negativerfahrungen mit dem Standort Fahrgasse?

Nein, ganz und gar nicht. Für mich ist es einfach nur eine persönliche Entscheidung, aufgrund der Situation, dass ich diesen Beruf natürlich auch noch die nächsten 20, 30 Jahre machen möchte, und ich reagiere natürlich schon auf das Berufsbild, aber meine persönliche Vita. Ich gucke, dass ich da auch die Stellschrauben drehe und ich gucke, wie frei ist eigentlich der Galerist. Wir reden von freien Künstlern, da kann man vielleicht mehr schrauben, der Galerist scheint sehr statisch. Ich möchte auch frei sein und drehe an der Stellschraube, mich vom Raum zu lösen, aber vielleicht habe ich auch in zwei Jahren wieder einen Raum.


Also kein Abschied aus Frankfurt?

Das geht nur mit Frankfurt, ich liebe Frankfurt. Ich wüsste keine anderen Orte, an denen man so gut und so dynamisch miteinander Projekte umsetzen kann. Gerade Kunst zu zeigen und Kunst zu vermitteln und Kunst zu verkaufen. Das ist in Frankfurt besser denn je. Woanders gar nicht vorstellbar als in Frankfurt.

(edr)