Leuchtender Weltschmerz – Anita Beckers präsentiert Igor Simic

Weltschmerz-Künstler Igor Simic Fotograf: Edda Rössler
Weltschmerz-Künstler Igor Simic
Fotograf: Edda Rössler

Text von Edda Rössler, in gekürzter Form in der Frankfurter Neuen Presse am 26.10.2019 veröffentlicht

„Weltschmerz“ – unter diesem Titel präsentiert die Frankfurter Galeristin Anita Beckers ab sofort Werke des serbischen Künstlers Igor Simic (31). Dabei handelt es sich um zahlreiche große, pinkfarbene Neoninstallationen. Sie alle sind Worthülsen, die aus seinem mehrfach ausgezeichneten IOS Videogame „Wasteland“ stammen. Ausgewählte Videosequenzen werden ebenfalls in der Galerie vorgestellt werden. Das Zusammenspiel von Videosequenzen, nahezu monochrom in Blautönen gehaltenen Bildwelten, ein zauberhafter, melancholischer Sound wird vom sinnlichen Pink der Neons wohltuend kontrastiert.

Weltschmerz-Opening (v.l.) Die Galeristin Anita Beckers, der Künstler Igor Simic und der Frankfurter Philosoph Rainer Forst Fotograf: Edda Rössler
Weltschmerz-Opening
(v.l.) Die Galeristin Anita Beckers, der Künstler Igor Simic und der Frankfurter Philosoph Rainer Forst
Fotograf: Edda Rössler

Simic, der an der Columbia Universität New York Philosophie und Filmwissenschaften studierte, hatte das Spiel zusammen mit der Filmfirma Demagog Studio („Ich bin Künstler-CEO) entwickelt. Es zeigt Architekturen und Landschaften in einer untergegangen, seltsam emotionsfreien Welt.

Erscheinen die Aussagen der Installationen auf den ersten Blick belanglos, wird in Verbindung mit dem Videogame rasch klar, dass sie genau auf die Gründe hinweisen, die den blauen Planeten in die ökologische Katastrophe trieben. So erweisen sich etwa Donald Trumps Entgleisung „Covfefe“ oder der Zeitgeistbegriff „Yolo“ (man lebt nur einmal) als bloße Rechtfertigung für egoistische Vorgehensweisen, die den Ruin beschleunigen.

Verführerischer Untergang – Neoninstallation von Igor Simic Fotograf: Igor Simic
Verführerischer Untergang – Neoninstallation von Igor Simic
Fotograf: Igor Simic

Simic Kunst arbeitet nicht mit dem erhobenen Zeigefinger, sondern gibt sich komplex, künstlerisch und ästhetisch reizvoll, gepaart mit Humor. Dazu trägt auch die freche Storyline des Games bei. Wenige Super-Reiche sind der Katastrophe entflohen und haben sich sich auf dem Planeten „Tesla Mars“ komfortabel eingerichtet. Ab und zu packt sie jedoch eine gewisse Sehnsucht nach der Erde und im Astronautenanzug fliegen sie zurück zum blauen Planeten, um Golf zu spielen. Im Zeitlupentempo durchkreuzen Marsianer den erloschenen Planeten und erleben seine besondere, jetzt melancholische Schönheit.

Nah beinander – der Frankfurter Philosoph Rainer Forst (li.) und der Künstler Igor Simic Fotograf: Edda Rössler
Nah beinander – der Frankfurter Philosoph Rainer Forst (li.) und der Künstler Igor Simic
Fotograf: Edda Rössler

Im Vorzimmer der Engelschaft

Trefflich brachte der renommierte Frankfurter Philosoph Rainer Forst (55), der das Schaffen Simics seit mehreren Jahren verfolgt, in der Eröffnungsrede die Arbeit von Igor Simic auf den Punkt. Entzog sich Forst der nahegelegenen Versuchung, kunsttheoretische Bezüge zu Theodor W. Adorno zu konstruieren, bezog er sich stattdessen auf den Kulturkritiker Walter Benjamin und dessen lebenslange Begeisterung zu den „Angelus Novus“, einer von Paul Klee geschaffenen Motivgruppe. Klee definierte sie als Wesen im „Vorzimmer der Engelschaft“. Der Angelus Novus zeichnet sich durch sprudelnde Fröhlichkeit aus. Witz und Heiterkeit siegten über Leid. Genau so lustig und unbeschwert gleiten Simics Astronauten in Wasteland durch den zerstörten Planeten Erde, ohne Leid und Schmerz zu empfinden.

Doch die Frage bleibt letztendlich, warum müssen sie diese Welt von einem fremden Planeten aus besuchen. Eine der zahlreichen Antworten darauf lauten laut Simic „Zuck“ (Mark Zuckerberg) und „Covfefe“. Damit wären wir schon fast wieder bei Theodor W. Adorno angelangt und seiner These „es gibt kein richtiges Leben im falschen“. Immerhin kann man sich auch im falschen Leben komfortabel einrichten, zumindest einige wenige Superreiche, sagen Wasteland und Igor Simic.

Die Ausstellung „Weltschmerz“ bietet hochkarätige Kunst und zwingt zum Nachdenken, indem sie gerade nicht als politische Agitation daherkommt. Doch dieser charmante und verführerische Fausthieb zielt direkt in das Auge des Betrachters.

Noch bis zum 27.11.2019 geöffnet. Weitere Informationen unter
galerie-beckers.com