„Meine Schwester und ich“ – Zwillinge eben!

Elvira Bach und Ingrid B. Honneth in der Galerie Barbara von Stechow

Mittwoch, den 1. März 2023

Eröffnungsrede von Edda Rössler

(Auszüge)

Ein herzliches Willkommen!

Lassen Sie uns den Triumpf der Farben, Linien und Ornamente der großartigen Werke von Elvira Bach genießen und lassen wir uns von dem Nimbus der wundersamen, auf den ersten Blick brutalen, auf den zweiten Blick vielleicht sogar „zärtlich inszenierten“ Objekte und Installationen von Ingrid B. Honneth verblüffen.

Vernissage „Meine Schwester und ich“ am 1.3.23 in der Galerie Barbara von Stechow Edda Rössler, Elvira Bach, Ingrid B. Honneth Foto: Barbara Walzer
Vernissage „Meine Schwester und ich“ am 1.3.23 in der Galerie Barbara von Stechow
Edda Rössler, Elvira Bach, Ingrid B. Honneth Foto: Barbara Walzer

Elvira Bach

Um ihre Kunstrichtung einzuordnen, lassen Sie uns eine kleine Zeitreise In die späten 70er und frühen 80er Jahre unternehmen. Damals gab die informelle, die abstrakte Kunst die Richtung vor, man vertraute vor allem theoretischen Ansätzen. Kritiker bemängelten die in ihren Augen „kopflastigen Konzepte“. Das sollte sich mit einem Paukenschlag ändern, als die Maler und Malerinnen der Gruppe der „Neuen Wilden“ den Expressionismus wieder entdeckten und zeitgemäß aufgriffen. Knallige Farben, derbe Linien, eine locker angedeutete Figuration, all das prägte ihr Oeuvre. Eine klare Revolte und Absage gegen „kopflastige“, asketische Kunst nahm ihren Weg und appellierte stattdessen an Emotion und Sinnlichkeit.

Früh schon stand für Elvira Bach, eine der bedeutendsten Malerinnen der „Neuen Wilden“, neben dem Stil das inhaltliche Thema fest. Ihr Thema lautete und lautet schlicht und einfach „Elvira Bach“. Wie viele unzählige Diven, Grazien hat sie auf zumeist großformatige Leinwände gezaubert! Immer ist man versucht, darin Gefühle, Erlebnisse und Sehnsüchte der Künstlerin, eben Autobiografisches zu verstehen. Doch indem sie sich in den Mittelpunkt ihres Schaffens rückt, sich selbstbewusst und mutig offenbart, thematisiert sie wesentliche Einstellungen und Erlebnisse vieler Frauen. Elvira Bach und ihre Grazien sind ein Archetyp der Frau per se, der Frau mit all ihren Facetten und Widersprüchen. Bachs mutiger Verzicht auf ein Versteckspiel fördert Solidarität. Wir Frauen, wir sind kokett, verspielt, genießen Sinnlichkeit, Schmuck und High Heels. Doch auch verspielte Accessoires erlauben Charakter und Tiefe. Genuss und Hedonismus verhindern Nachdenklichkeit nicht. Selbst der gelegentliche Zug an einer entspannenden Zigarette kann zu neuen Ideen führen.

Elvira Bachs Malerei zieht den Betrachter in seinen Bann und wie in einem jazzigen Musikstück verlieren wir uns in den malerischen Welten. Auch das ist neben den sexy High Heels, dem sinnlich roten Lippenstift eines ihrer Markenzeichen: Überdimensional große Hände. Denn diese Ladies können anpacken, austeilen und sind Hüterin ihres Schicksals.

Vernissage „Meine Schwester und ich“ am 1.3.23 in der Galerie Barbara von Stechow Rednerin Edda Rössler vor dem titelgebenden Gemälde von Elvira Bach
Vernissage „Meine Schwester und ich“ am 1.3.23 in der Galerie Barbara von Stechow
Rednerin Edda Rössler vor dem titelgebenden Gemälde von Elvira Bach

Ingrid B. Honneth

Doch Vorsicht, jetzt kommen wir zu Ingrid B. Honneth und so viel kann ich versprechen, in ihren Werken ist Gefahr in Verzug! Da geht es nicht mehr um Sehnsüchte, Triumpfe und starke Ladies, hier dreht sich alles um Lädierungen und Verletzungen. Auswirkungen, die das Leben überhaupt oder spezieller, das Leben im Kapitalismus mit sich bringt. Aus all den scheinbar banalen Alltagsgegenständen bricht Seelenleid hervor.

Ihre Elbeo-Beine sind blutverschmiert, aus ihnen ragt wie Äste am Baum blutiges Gedärm. Auch dem überdimensionierten scharfen „Kneipchen“ will man ungern im Dunkeln begegnen. Dass etwa eine Kalaschnikow Bedrohung evoziert, liegt auf der Hand. Doch selbst die große Sicherheitsnadel mit geöffneter Spitze schreit Unheil. Das „Brot für die Welt“ haut uns unseren Überfluss, der auf Kosten der Dritten Welt geht, um die Ohren. Das Honneth‘sche Arsenal erinnert an Thriller, Schauermärchen und scheint der Gespensterwelt eines Edgar Allan Poes entnommen. Dennoch, diese Kunstobjekte wirken nicht plakativ oder marktschreierisch. Nahezu zärtlich hat sie die Künstlerin inszeniert. Sie bestehen oft aus federleichten Werkstoffen und suggerieren Zartheit und sind behutsam und liebevoll mit Acrylfarbe „ummantelt“.

Betrachtet man ihre Objekte, fühlt man sich an jenen Spiegel erinnert, durch den die Schauspieler etwa in den surrealistischen Filmen von Jean Cocteaus in eine andere Welt, in ein Paralleluniversum, gelangen. Wie könnte sich unsere Welt aufstellen, fragt man sich, wäre sie nicht so offensichtlich von kapitalistischen Fetischen regiert.

Doch letztendlich ist es frappierend, wie sich trotz aller Unterschiede die Kunst der Beiden ergänzt. Wo wir bei Ingrid Aufschreie und Empörung wahrnehmen, nimmt Elvira die Melodie auf und fängt sie in ihren Kosmos ein. Zwillinge eben, „Meine Schwester und ich“.
Lassen Sie sich begeistern von der künstlerischen Raffinesse, der Kreativität und der Hartnäckigkeit von den beiden Ausnahme-Künstlerinnen. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Vernissage „Meine Schwester und ich“ am 1.3.23 in der Galerie Barbara von Stechow Elvira Bach, Ingrid B. Honneth, Edda Rössler Foto: Barbara Walzer
Vernissage „Meine Schwester und ich“ am 1.3.23 in der Galerie Barbara von Stechow
Elvira Bach, Ingrid B. Honneth, Edda Rössler Foto: Barbara Walzer

 

Vernissage „Meine Schwester und ich“ am 1.3.23 in der Galerie Barbara von Stechow Edda Rössler im Gespräch mit Elvira Bach und Ingrid B. Honneth
Vernissage „Meine Schwester und ich“ am 1.3.23 in der Galerie Barbara von Stechow
Edda Rössler im Gespräch mit Elvira Bach und Ingrid B. Honneth
Vernissage „Meine Schwester und ich“ am 1.3.23 in der Galerie Barbara von Stechow Ingrid B. Honneth, Barbara von Stechow, Elvira Bach Foto: Edda Rössler
Vernissage „Meine Schwester und ich“ am 1.3.23 in der Galerie Barbara von Stechow
Ingrid B. Honneth, Barbara von Stechow, Elvira Bach Foto: Edda Rössler