Meisterstücke – Vom Handwerk der Maler

Text von Edda Rössler

Von der Muse geküsst – aber erst wird gelernt!

Meisterstücke – Vom Handwerk der Maler

Die aktuelle Ausstellung im Historischen Museum Frankfurt lädt in die Welt der Malerzünfte ein – Noch bis Januar 2020

Frankfurt am Main, 16. September 2019

Im Handwerk ist das sonnenklar: Wenn dem Lehrling mal ein Missgeschick passiert, dann ist eben noch kein Meister vom Himmel gefallen! Jeder akzeptiert, dass erst eine sorgfältige Ausbildung zur souveränen Handhabung des Berufes führt. Ganz anders dagegen ist das beim Künstler, oder? Ist er ganz einfach ein Genie und ist seine Kunst sozusagen „vom Himmel gefallen“ als ihn die Muse küsste? Im 17. bis hin ins 19. Jahrhundert sah man das ganz anders. Wer sich damals „Maler“ nennen wollte und noch dazu „Meister“, musste sich einer jahrelangen, schwierigen Ausbildung bei einem Meister seines Faches unterziehen. Erst das eingereichte „Meisterstück“, das strengsten Prüfungen unterlag, entschied, ob der Maler nunmehr auch ein Meister seines Faches war. Ein weiteres, in der Tat pikantes Detail entdeckten die Ausstellungsmacher zudem. Zuerst musste der Maler heiraten, sonst waren ihm Staffelei, Pinsel und Farben verwehrt. Der Ledige war kein Meister. War die richtige Braut nicht zur Hand, durfte es dann mit etwas Glück schon einmal die Tochter oder, wenn alle Stricke rissen, auch die Witwe eines Meisters sein.

Friedrich Kramer, Susanne im Bade, von den beiden Alten überrascht, 1645, restaurierter Zustand, © HMF, Horst Ziegenfusz
Friedrich Kramer, Susanne im Bade, von den beiden Alten überrascht, 1645, restaurierter Zustand, © HMF, Horst Ziegenfusz

Die von Wolfgang P. Cilleßen, dem stellvertretenden Museumsdirektor, und seinem Team kuratierte Ausstellung schildert mit vielen anschaulichen Beispielen und Gemälden ebenso didaktisch wie unterhaltsam, wie es in der Welt der Malergilden und -zünften zugegangen ist. Zu Bestaunen gibt es in der für die Erforschung der Künstlersozialgeschichte in Deutschland einzigartigen Präsentation über 45 Meister- und Probestücke aus der Zeit von 1631 bis 1858. Ideengeber der Ausstellung war der Kunsthistoriker Prof. Dr. Dr. Andreas Tacke, Universität Trier. Beide Wissenschaftler sind zudem Herausgeber des empfehlenswerten Ausstellungskatalogs „Meisterstücke – Vom Handwerk der Maler“. Er ist als Band 38 in der Schriften des Historischen Museums erschienen und umfasst 340 Seiten mit zahlreiche Abbildungen (Euro 30).

Fotomaterial: Historisches Museum, Frankfurt am Main

Weitere Informationen unter www.historisches-musuem-frankfurt.de

Johann Georg Schütz, Herkules Farnese, 1778 (C) HMF, Horst Ziegenfusz
Johann Georg Schütz, Herkules Farnese, 1778 (C) HMF, Horst Ziegenfusz

 

 

Ich danke Herrn Prof. Dr. Dr. Tacke herzlich für die Beantwortung der beiden folgenden Fragen!

1)

„Gilt auch der Umkehrschluss – Ist der Handwerker auch ein Künstler“?

Wir verwenden den Begriff „Maler“ in der Ausstellung zunftrechtlich und das Malerhandwerk kennt die Bezeichnung „Künstler“ nicht. Der in einer Stadt arbeitende Künstler (wie wir ihn heute verstehen) war Meister im Malerhandwerk oder Bildhauerhandwerk oder im  Goldschmiedehandwerk. Diese Personen würden wir heute als Künstler bezeichnen, damals wurden sie als Meister in ihrem Handwerk bezeichnet. Zwar versuchten schon einige Personen in diesen Berufsgruppen seit dem Mittelalter darauf hinzuweisen, dass sie was anderes, als Handwerker sein und bezeichneten sich als „artifex“, doch sie blieben bis um 1800 rechtlich gesehen Handwerker. Der Umkehrschluss,  dass der Handwerker auch ein Künstler sein kann, ist modern und er hätte heute Gültigkeit, damals nicht. Wobei wir dann definieren müssten, was „Kunst“ ist. Eine „Grundregel“ wäre, das ein von Handwerker geschaffenes Kunstwerk keinen (oder nicht nur) einen „Gebrauchswert“ hat, also über sich hinausweist … aber hier wird es komplex. Das Salz- und Pfefferfass von Cellini, seine berühmte Saliera (im Kunsthistorischen Museum Wien) von 1540-43 wäre so ein handwerkliches Produkt, welches als Salz- und Pfeferfass dient, also ein Gebrauchsgegenstand ist, aber mit seinem Bildprogramm über den Gebrauchswert hinausweist und es so zum Kunstwerk macht. Das Bildprogramm hat Herrscher zum Adressaten und der erste Besitzer war König Franz I. von Frankreich.

2)

Wie definieren Sie den Unterschied zwischen „Meister“ und „Künstler“?

Die Antwort ergibt sich aus 1), nämlich, der Unterschied ist durch die historische Perspektive gegeben. Wir bezeichnen heute diese im Malerhandwerk tätigen Personen als Künstler, damals waren sei Meister in ihrem Handwerk („Meister“ zunftrechtlich definiert). „Maler“ war damals so etwas wie eine geschützte Berufsbezeichnung, Maler, Bildhauer, Goldschmied durfte sich nur nennen, wer Meister im entsprechenden Handwerk war.

Nur wer Meister im Malerhandwerk war, konnte „Kunstwerke“ malen … alle anderen, die Gemälde malten und nicht Meister im Malerhandwerk waren, waren „Stümper“ und ihre Kunstwerke wurden zerstört und ihre Werkstätten ausgeräumt. Sie durfte auf dem städtischen Kunstmarkt nicht verkaufen.

Paul Juvenel d.Ä., Taufe Christi im Jordan, 1609, (C) Städel Museum, Frankfurt
Paul Juvenel d.Ä., Taufe Christi im Jordan, 1609, (C) Städel Museum, Frankfurt