Mode von Nina Hollein und Gemälde von Philipp Schweiger im Kunstverein der Familie Montez

Was macht frau, wenn sie ihren Kleiderschrank entrümpelt? Sie packt alte Kleidungsstücke in eine große Tüte und entsorgt sie. Nicht so die österreichische Modedesignerin Nina Hollein, die nach einem langjährigen Frankfurt-Aufenthalt mittlerweile mit Gatte Max und den drei Kindern in New York City lebt.

„Palindrome“, Nina Hollein (Mode) und Philipp Schweiger (Malerei) im Kunstverein der Familie Montez Fotograf: Edda Rössler
„Palindrome“, Nina Hollein (Mode) und Philipp Schweiger (Malerei) im Kunstverein der Familie Montez
Fotograf: Edda Rössler

Sie durchforstete ihren Fundus an Anoraks und sonstigen Kleidungsstücken, um die zurückgezogenen Zeiten des Lockdowns kreativ für einen neuen Look zu nutzen. Wie außergewöhnlich und glamourös selbst alte Klamotten in Holleins Mutation „Suit Up“ daherkommen, davon können sich die Frankfurter ab sofort in der großen Ausstellungshalle des Kunstvereins der Familie Montez überzeugen.

Die zierliche Brünette, die man eher auf 30 denn auf 50 Jahre schätzt, hat zudem noch ein weiteres Schmankerl im Gepäck. Der Wiener Maler Philipp Schweiger, ihr Zwillingsbruder, stellt begleitend zur Modeschau seine großformatigen Landschaftsbilder aus. Hollein und Schweiger gelingt in der Kombination von Malerei und Mode eine ästhetische Performance, die begeistert und opernhafte Züge annimmt. Hinzu tritt als weiteres magisches Moment die besondere Atmosphäre der Montez-Halle. Der imposante Raum mit seiner geschwungenen Brückendecke ist wie geschaffen für das künstlerische Spektakel, das gefällt auch dem Montez-Kunstdirektor Mirek Macke.

Auf den ersten Blick in die Ausstellung kann sich der Besucher nur schwer entscheiden, ob er seine Aufmerksamkeit auf die Garderobe oder auf die Malerei richtet. Beide Angebote wirken reizvoll und locken, entdeckt zu werden. Konzentriert man sich auf die Mode, dann erscheint die Malerei als stilvolles Bühnenbild. Konzentriert man sich auf die Malerei, wirken die Kleider wie Protagonisten, die aus den Landschaften herauspurzeln und sich zu einem fröhlichen Stelldichein verabreden.

15 zumeist schwarzgehaltene Garderoben prangen auf einem kleinen weißen Podest. Jedes Stück ist figurbetont, viele geben mit transparenten Stoffen den Blick auf Haut und Körper frei. Weibliche Kurven werden akzentuiert und nicht wie oft bei männlichen Designern negiert. Bei Hollein ist Frau zugleich Prinzessin und Amazon und jedes Stück strahlt mit ihr. Lustig flattern weit ausgestellte Röcke, verspielte Ärmel und Manschetten, wobei körperbetonte Oberteile Figur inszenieren. Bei genauem Hinsehen entdeckt man eine Fülle liebevoller Details, seien es Schleifchen, Bänder, Rüschen und dennoch verliert sich die Kollektion nicht in Einzelheiten. „Ein Hollein-Dress erkennt man auf den ersten Blick“, sagt Philipp Schweiger. Es erinnert an Frauengestalten barocker Gemälde, allerdings ohne die Bürde des Ballastes. Eine Madame Pompadour hätte viel Freude daran gehabt und die haben jetzt all die Modefans, die die nach Corona wieder auferstandenen Cocktail-Partys und Vernissagen beleben.

Philipp Schweiger verwöhnt unser Auge mit großformatigen, hauchzarten und träumerischen Landschaftsbildern, die allesamt als Hommage an den Wienerwald daherkommen könnten. Die Serie trägt den Titel „Haze“ (Dunst) und der Betrachter spürt den Nebel und den Morgentau, der für einige Momente Wald und Wiesen benetzt. Nina Hollein, die selbst in der New Yorker Wohnung Gemälde des Bruders besitzt, vergleicht die Gemälde mit „Fenster, die zum Blick in die Natur einladen“.

Neben all den ästhetischen Reizen ihrer Kunst verbindet das Geschwisterpaar auch die Wertschätzung und der sorgsame Umgang mit Umwelt und Natur. Hollein verwendet für ihre Unikate nur bereits vorhandene Stoffe, Schweiger evoziert in seinen Seelenbilder als moderner Rousseau unsere Sehnsucht nach einer „Wildnis“, einem Urzustand der Natur, die noch nicht durch menschliches Zutun zerstört ist.

Die Ausstellung ist noch bis zum 25. Juli 2021 geöffnet. Weitere Informationen unter kvfm.de

Text und Foto von Edda Rössler, am 13. Juli 2021 veröffentlicht in Frankfurter Neue Presse