New York in Zeiten der Pandemie – Gemälde von Tom Christopher zeigen eine verstörte Metropole

Der amerikanische Künstler Tom Christopher (1952) reiste zur Eröffnung seiner Ausstellung in der Galerie Barbara von Stechow eigens nach Frankfurt. „Das ist meine erste Auslandsreise nach zwei Jahren“, freut er sich. „Tom und ich suchen die Ausstellungsbilder immer in seinem New Yorker Studio aus, doch dieses Mal mussten wir das alles per Internet und Telefon regeln“, informiert Galeristin Barbara von Stechow.

Der amerikanische Maler Tom Christopher mit Galeristin Barbara von Stechow vor seinem Gemälde „I Didn’t Think Anything.“ Foto: Edda Rössler
Der amerikanische Maler Tom Christopher mit Galeristin Barbara von Stechow vor seinem Gemälde „I Didn’t Think Anything.“
Foto: Edda Rössler

Jetzt bespielen über 30 großformatige Acrylgemälde und einige Aquarelle des für seine New York-Interpretationen international gefeierten Malers die Galeriewände. Den Freunden der Galerie ist Christophers expressionistischer Stil ein guter Begriff, wird hier sein Oeuvre regelmäßig präsentiert. Der in Hollywood geborene Maler, der für die Disney Studios und für die New York Times als Zeichner und Gerichtsreporter arbeitete, versteht es wie kaum ein anderer Künstler, seine Wahlheimat New York mit wenigen Pinselstrichen und herrlich frischen, oft abstrakt aufgelösten Farbflächen auf den Punkt zu bringen. Zwar ist der typische Christopher-Stil geblieben, doch die aktuelle Ausstellung präsentiert ein völlig neues New York-Gefühl.

Auch während der Pandemie war Christopher mit Stift und Notizblock unterwegs, um Stadtimpressionen einzufangen, die er anschließend in seinem Studio in seinen Acrylgemälden aufgreift. Doch die bekannten Plätze, die einst Massen magisch anzogen wie etwa Times Square, wirken verlassen. Wenige Menschen, die isoliert wirken und nicht miteinander kommunizieren, sind unterwegs. Ihr Aufenthalt erscheint erzwungen, so als ob sich danach sehnten, gleich wieder ins Homeoffice zu flüchten. Herrschte in der Bildwelt Christophers vormals Freude an der Begegnung, dominieren jetzt Verunsicherung, Angst und Schrecken.

Der Jazz ist den kräftigen, oft ins Abstrakte übergehenden Pinselstrichen entwichen, doch die Rhythmik bleibt. Dunkle Schatten spielen in den vormals fröhlichen und unbeschwerten Impressionen eine Hauptrolle. Christopher zeigt uns eine verwunschene, desolate Metropole, die zur Starre verdammt ist.

Das wohl beeindruckendste Gemälde der Ausstellung „View to Spring 2021“ zeigt eine menschenleere New Yorker Skyline. Zarte Frühlingsfarben am Himmel, rosa, hellblaue und gelb-grüne Wölkchen schließen die Hoffnung auf bessere Zeiten nicht aus, doch die New Yorker Architekturen, all die Skyscraper verharren in Schwarztönen und wirken fragil. In Schwarz hüllt er in dem Gemälde „Roses for Times Square“ selbst Rosenblüten.

Anlässlich der Vernissage zitiert Tom Christopher den amerikanischen Schriftsteller Raymond Chandler: „Es gibt nichts Verlasseneres als einen leeren Swimmingpool.“ Genauso empfand Tom Christopher sein New York während der Pandemie.

Die aktuelle Ausstellung gibt Auskunft über New York in einem Ausnahmezustand. Dass man dennoch seine Bilder mit wahrer Freude goutieren kann, dafür sorgt seine malerische Brillanz.

Die Ausstellung ist noch bis Ende August 2021 geöffnet.
Weitere Informationen unter www.galerie-von-stechow.com

Text und Foto von Edda Rössler, am 31. Juli 2021 veröffentlicht in Frankfurter Neue Presse