„Niemals langweilig“

Der Ausstellungsbericht wurde am 23. Mai 2020 in der Frankfurter Neuen Presse veröffentlicht

Text und Foto von Edda Rössler

Bärbel Grässlin vor einem Werk von Marcus Oehlen
Bärbel Grässlin vor einem Werk von Markus Oehlen

„Zufälle sind gewünscht“, sagt Markus Oehlen (Jahrgang 1956), der seit 2002 als Professor an der Akademie der Bildenden Künste in München unterrichtet. Schaut man sich seine Vita an, fällt gleich auf, dass er eine Doppelbegabung ist. Als Schlagzeuger trat er in den 70er Jahren in verschiedenen Punkbands wie etwa bei „Fehlfarben“ auf. Auch das hat ihn geprägt: Das Studium an der Düsseldorfer Kunstakademie, wo er seinerzeit Martin Kippenberger kennenlernte. Mittlerweile hängen seine Werke in vielen Museen der Welt und die Preise stellen so einiges in den Schatten, was seine Kollegen abrufen. An die 70 000 Euro darf man schon mal berappen, erwirbt man eines der aktuell bei Bärbel Grässlin in der Frankfurter Schäfergasse präsentierten Bilder.

Crucial Head Kicking, 2020, Acryl, Papier auf Leinwand, 230x200 cm, Marcus Oehlen (c)Bärbel Grässlin
Crucial Head Kicking, 2020, Acryl, Papier auf Leinwand, 230×200 cm, Markus Oehlen (c)Bärbel Grässlin

Seine Galeristin Bärbel Grässlin (Jahrgang 1954) gehört nahezu der gleichen Generation an und vertritt ihn bereits seit Jahrzehnten. Die Galerie gleichen Namens zählt zu den renommiertesten Frankfurts und ist längst fester Bestandteil der internationalen Kunstszene. Hier also begegnen sich zwei Vertreter der Kunstszene, die miteinander vertraut sind, sich schätzen, kämpften und Erfolge verbuchten. Jeder auf seine, ihre Weise. Bärbel Grässlin lernte früh, dass sie sich gegen Machos im Kunstbetrieb zur Wehr setzen musste. Markus Oehlen ohrfeigte den in den 70er Jahren vorherrschenden minimalistischen Kunststil und stellte zusammen mit seinen Malerfreunden sogar die Malerei selbst in Frage. Als waschechter Punk rebellierte er eben und die beste Provokation war das Infragestellen der Kunstgattung überhaupt.

„Gute Künstler verändern ihre Arbeiten, da wird es nie langweilig, mit einem Künstler über einen längeren Zeitraum zusammenzuarbeiten“, informiert Grässlin. Sie lässt sich immer wieder gerne von Markus Oehlen überraschen. Vielleicht hat er sich selbst überrascht, als er sich vom rotzigen Maler-Punker, dem zudem das Etikett „Junger Wilder“ anheftete, zum Künstler entwickelte, der seine Werke durchaus ernst nimmt und wohltemperiert.

Cul de Sac?, 2020, Acryl, Papier und Leinwand, 250x230 cm, Marcus Oehlen, (c) Bärbel Grässlin
Cul de Sac?, 2020, Acryl, Papier und Leinwand, 250×230 cm, Markus Oehlen, (c) Bärbel Grässlin

Bei Grässlin bespielen derzeit an die zwölf großformatige Werke, alle Acryl, Papier auf Leinwand, die Galeriewände. Sie sind sozusagen taufrisch, Jahrgang 2020. Was man auch an dem aktuellen Stilmittel Oehlens erkennen kann. Denn jetzt werden verfremdete Fotografien mit in das Bildgeschehen eingearbeitet. Wirken die Titel kapriziös wie etwa „crucial head kicking“ oder „cul de sac?“, sind sie doch ein perfekter Türöffner in den anspruchsvollen Bildkosmos des Künstlers. Er konstruiert, schraubt und bastelt, erfindet Symbole, deutet Figuren an, die aufblitzen, in einer Farbwolke aufgefangen werden und sich gleich wieder verflüchtigen. Alles birst und vibriert, Symbole begegnen Farbflächen. Auch aufgrund seiner zumeist warmen, hellen Farbpalette, in der Rosa, Hellblau und Türkis eine wichtige Rolle spielen, verbinden sich seine unterschiedlichen Angebote zu einem einheitlichen Bildausdruck. Und da fühlt man sich gleich wieder an Musik erinnert. Weniger an Punk, mehr an Jazz..

Diese Ausstellung ist ein wahrer Hingucker und das sind die Galerieräume bei Bärbel Grässlin auch. Zeit, beides zu genießen, ist noch bis zum Mitte Juni.

Weitere Informationen unter www.galerie-graesslin.de

Foto der Galeristin von Edda Rössler

Werkabbildungen: © Galerie Bärbel Grässlin