Polaroids voller Poesie – Rainer Raczinski würdigt Architektenträume

Wovon man träumen kann, das kann man tun, sagt ein optimistisches Sprichwort. Das galt auch für herausragende Architekten, die gewagte Bauten für eine moderne und bessere Gesellschaft schufen. Der Künstler Rainer Raczinki geht der Tauglichkeit ihrer Utopien ebenso wie ihrer Courage, über den Tellerrand des gerade angesagten Baukanons hinauszuschauen, auf den Grund. Seine liebevoll inszenierten Polaroid-Aufnahmen voller Poesie fangen die Strahlkraft ihrer Träume ein. Selbst wenn die Bauten nicht dem Lauf der Zeit standhielten, erzählen sie noch immer ihre ureigene Geschichte.

Der Künstler Rainer Raczinski und seine Polaroid-Aufnahme von „Orot Cinema“, das die Architekten Yaacov und Zeev Rechter 1960 in Be‘ershava (Israel) errichteten. Foto: Edda Rössler
Der Künstler Rainer Raczinski und seine Polaroid-Aufnahme von „Orot Cinema“, das die Architekten Yaacov und Zeev Rechter 1960 in Be‘ershava (Israel) errichteten. Foto: Edda Rössler

Mit der Polaroid-Kamera inszenierte er ein Dutzend ikonischer Gebäude aus aller Welt. Dabei entstanden zarte, pastellene Aufnahmen. „Polaroid ist ein wunderbar arbeitendes Material, wenn auch in einem sehr eingeschränkten Licht- und Kontrastbereich“, sagt Raczinski. In dieser Zone entfalten die Abbildungen einen besonderen Charme und erinnern an alte, historische Fotografien. Jedes Foto ist ein Unikat, der Schuss muss sitzen, denn eine spätere Bearbeitung wie bei der Digital-Fotografie ist nicht möglich.
„Es geht mir nur um die Architektur, ohne Menschen, Autos, Schilder. Die Schauspieler haben die Bühne verlassen und dann kann ich mir in Ruhe ein Bild von dem Stück machen, das da spielt“, so Raczinski zum Bild-Duktus. Doch bis das soweit ist, hat er lange recherchiert, um sicher zu gehen, dass er „wilde“ und „abgefahrene“ Objekte erwischt. Dann packt er seine Reiseutensilien, testet die Objekte vor Ort und fängt ihr Zusammenspiel mit der unmittelbaren Umgebung ein.
Da fällt der Blick etwa auf das Futuro Haus Nr 13 des Finnen Matti Suuronen, das 1968 entstand. Es sieht aus wie eine fliegende Untertasse und war als günstiges Ferienhaus aus Kunststoff in kleiner Serie auf den Markt gebracht. So spielerisch seine Gestalt ist, so einfach ist die Platzierung. Mit einem Transporthubschrauber kann man es sogar in schwierigem Gelände in Betrieb genommen werden, nur ein Wasseranschluss und etwas Elektrizität sollten vor Ort zur Verfügung stehen. Sein Anblick sorgt noch heute für Furore.
Dagegen wurde die Mitte der 1950er Jahre errichtete Berliner Kongresshalle des Architekten Hugh Stubbins, von den Berliner liebevoll „Schwangere Auster“ genannt, mit dem gewölbten, freihängenden Dach, zum festen Bestandteil des Berliner Stadtbildes.
Die 1947 von Le Corbusier in Marseille gebaute Unité d`Habitation ist ein 15- geschossiges Bauwerk, bei dem Wirtschaftlichkeit und Effizienz ebenso wie standardisierte Serienproduktion im Mittelpunkt stehen. Interessant hier ist zudem die Integration verschiedener Einrichtungen wie Kindergarten, Schwimmbad, Theater und Kino. Alles ist dem Leitgedanken „der vertikalen Stadt“ des Architekten und Städteplaners untergeordnet.
Beim Rundgang durch die kleine Ausstellung merkt man dem Künstler seine Begeisterung an den originellen Bauwerken und ihrer Entstehung an. So bieten die „Tales of Tomorrow“ selbst in der Gegenwart viel Gesprächsstoff und erfreuen das Auge.

Weitere Informationen unter werkbundhessen.de/termine
Die Ausstellung ist im Forum des Deutschen Werkbundes Hessen, Weckmarkt 5, 60311 Frankfurt am Main, noch bis zum 13. Juni 2021 geöffnet.
Finissage: Am Sonntag, den 13. Juni 2021 um 17 Uhr

Text und Foto von Edda Rössler, am 9. Juni 2021 veröffentlicht in Frankfurter Neue Presse