Rockige Skulpturenausstellung im Frankfurter „Bilderhaus“

Unter dem Ausstellungstitel „Rock Down“ präsentiert die Bildhauerwerkstatt Gallus erstmals ihre Werke in der Galerie DAS BILDERHAUS im Frankfurter Nordend. Das Projekt bietet straffällig gewordenen Jugendlichen aus Frankfurt und Umgebung die Möglichkeit, im Rahmen von gemeinnützigen Arbeitsstunden künstlerische Objekte zu gestalten.
Was haben der „Fisch an der Angel“, „Das mutige Schwein“ oder aber „Frau Ludmilla“ gemeinsam? Sie alle zählen zu den 36 Skulpturen von 36 Künstlern, die derzeit in der Galerie „Das Bilderhaus“ Akzente setzen. Jedes der Werke, sei es aus Holz, Stein oder auch Metall gefertigt, fesselt aufgrund seiner handwerklichen Fertigkeit, seiner Originalität und der oft ironischen Aussage, die zum Schmunzeln einlädt. Bei der Holzskulptur „Evolution“ etwa, die sich aus fünf Holzporträts zusammensetzt und vom Neandertaler bis hin zum Homo Sapiens mit Glasauge reicht, merkt man gleich, dass die Entwicklung schieflief. Denn den Abschluss bilden zwei grobe Holzklötze, die wie ein Scherbenhaufen auf dem Boden liegen. Originell ist auch das „Pärchen mit Hut“. Hier hat der Künstler mit einfachen Mitteln, indem er zwei große 6-Kant-Schrauben in einen angesägten Holzblick geschlagen hat, ein ebenso abstraktes wie intimes Tête-à-Tête geschaffen.

(v.l.) Petra Väth, seit 2012 verantwortet sie die Geschicke der Bildhauerwerkstatt im Gallus, Galeristin Jutta Uhlendorf-Baier und Bildhauer Kai Wolf (Künstlerischer Leiter). Im Hintergrund (Mitte) die Skulptur „Evolution“, rechts „Pärchen mit Hut“ Foto: Edda Rössler
(v.l.) Petra Väth, seit 2012 verantwortet sie die Geschicke der Bildhauerwerkstatt im Gallus, Galeristin Jutta Uhlendorf-Baier und Bildhauer Kai Wolf (Künstlerischer Leiter). Im Hintergrund (Mitte) die Skulptur „Evolution“, rechts „Pärchen mit Hut“
Foto: Edda Rössler

Das lebendige Skulpturen-Stelldichein bereichert zudem ein ausgerastetes Stahlmännchen, dessen Figur entfernt an die Semiotik Keith Harings erinnert. Es zeigt, wohin eine „Impfreaktion“ schon mal führen kann. Eine aus einem Stein herausgeschlagene „Stadtansicht“ überrascht mit Häuserfassaden aus Gittern. Zu den vielen Highlights der Ausstellung zählt darüber hinaus die „Ikarus“-Figur“. Kunstvoll aus Stahl gefertigt, prangen an den Flügeln statt Federn viele kleine Schlüssel. Sie werfen Schatten an die Wand und man kann förmlich das metallene Geräusch hören, das sie beim Fliegen in luftige Höhen verbreiten, bevor sie der Sonne zunahekommen.

Galeristin Jutta Uhlendorf-Baier, Bildhauer Kai Wolf (Künstlerischer Leiter der Bildhauerwerkstatt) sowie Petra Väth. Seit 2012 verantwortet sie als Geschäftsführerin die Geschicke der Bildhauerwerkstatt Gallus. Im Hintergrund die Skulptur „Ikarus“ Foto: Edda Rössler
Galeristin Jutta Uhlendorf-Baier, Bildhauer Kai Wolf (Künstlerischer Leiter der Bildhauerwerkstatt) sowie Petra Väth. Seit 2012 verantwortet sie als Geschäftsführerin die Geschicke der Bildhauerwerkstatt Gallus.
Im Hintergrund die Skulptur „Ikarus“
Foto: Edda Rössler

Regisseur der Ausstellung ist der im Taunus lebende Bildhauer Kai Wolf, der als künstlerischer Leiter der Bildhauerwerkstatt Gallus seit über fünf Jahren straffällig gewordenen Jugendlichen Anleitung zum künstlerischen Schaffen vermittelt. Die Teilnehmer im Alter von 13 bis 21 Jahren, viele davon sind volljährig, haben Freude an der „harten“ Bildhauerei, berichtet er. Er spürt Begeisterung für Schweißen, die Arbeit mit dem Schneidbrenner oder Schmieden am Amboss. Die Teilnehmerzahl ist mit maximal acht Jugendlichen pro Tag begrenzt. „Selbst, wenn nur fünf Leute gleichzeitig arbeiten, entsteht mitunter schon ein richtiges Tohuwabohu.“

Die Verweildauer der Jugendlichen in der über 200 qm großen Werkstatt, die in diesem Jahr ihr 30jähriges Bestehen feiert, ist unterschiedlich. „Je nach richterlicher Auflage beginnt das bei zehn Stunden und geht bis hin zu einem dreistelligen Stundenbereich“, so Wolf. Dass der kreative Einsatz in der Bildhauer-Werkstatt im Gallus nicht allein das Interesse an Kunst fördert, sondern auch handfeste pädagogische Vorteile hat, unterstreicht Pädagogin Marie Duckek. „Der Erfolg der Werkstatt besteht darin, dass Jugendliche, die vielleicht noch nie mit Holz, Metall oder Stein gearbeitet haben, handwerkliche Erfahrungen machen und stolz auf ihre Leistungen sind.“ Zugleich betont sie, dass der Anteil an jungen Frauen ebenso hoch wie der der Männer ist. Für die an der Vernissage anwesende Werkstattbesucherin Anna (16) ist das ein eindeutiges Plus. „Ich sehe da Gleichberechtigung, und es freut mich, dass ich so etwas machen kann.“

Galeristin Jutta Uhlendorf-Baier ist sichtlich zufrieden mit der Ausstellung, auch wenn sie nur von kurzer Dauer sein wird. „Das alles sind hochwertige Arbeiten.“ Alle Werke, die zu fairen Preisen angeboten werden, sind auch nach Ende der Ausstellung käuflich erhältlich. Bis auf den „Zauberwürfel“, den der Vater eines Künstlers bereits erwarb.

Weitere Informationen unter www.das-bilderhaus.de

Text und Foto von Edda Rössler
Am 13. Juli 2022 veröffentlicht in Frankfurter Neue Presse