So heutig und doch so fern: Lea von Wintzingerode in der Galerie Jacky Strenz

Text von Edda Rössler, veröffentlicht in der Frankfurter Neuen Presse am 12. März 2020

Die aktuelle Gemäldeausstellung der Frankfurter Galerie Jacky Strenz präsentiert Werke der jungen deutschen Malerin Lea von Wintzingerode (30). Unter dem Motto „Laetitia“, das für Freude und Fröhlichkeit steht, bespielen zumeist kleinere Formate die Galeriewände.

Die Galeristin Jacky Strenz vor dem Gemälde „mother and I in paris ‚16, mummy portraits and the signet ring, 2020, Lea von Wintzingerode Foto: Edda Rössler
Die Galeristin Jacky Strenz vor dem Gemälde „mother and I in paris ‚16, mummy portraits and the signet ring, 2020, Lea von Wintzingerode Foto: Edda Rössler

Schon beim ersten Blick fesseln die ausdrucksstarken Ölbilder mit der besonderen Palette, die auf Komplementärfarben setzt. Gerne arbeitet sie mit dunkleren Farbnuancen, denen sie helle Flächen gegenüberstellt. Flüchtige Pinselstriche verwandeln sich zu Figuren. Dass es sich wirklich um Ölmalerei handelt, bedarf genaueren Hinsehens. Denn die in Bayreuth geborene Künstlerin, sowohl Schülerin von Daniel Richter (Wien) als auch der Hamburger Malerin Jutta Koethe, hat einen Stil entwickelt, der vom hauchzarten Farbaufdruck der Ölfarbe geprägt ist. Es scheint, als hätte sie mit Wasserfarben experimentiert. Ihre beiden Kunstprofessoren haben Spuren im Schaffen der Künstlerin hinterlassen. Keck und frisch setzt sie ihr Personal ins Bild, wie man das von Daniel Richter kennt. Doch auch das Geheimnisvolle und Schimärenhafte der Malerei von Jutta Koethen dringt durch ihre Bildsprache.

Lea von Wintzingerode 2020 mother and I in paris 16 la chaumière m
Lea von Wintzingerode 2020 mother and I in paris 16 la chaumière m © Galerie Jacky Strenz

Schnappschussartig präsentiert Lea von Wintzingerode Menschen, die sich zwar in unserer Gegenwart bewegen, doch so seltsam entrückt scheinen, als stammten sie aus einer anderen Epoche. Fast hat man den Eindruck, dass sich die dargesteIlten Personen in der Gegenwart aufhalten, aber ihr Lebensstil der einer vergangenen Epoche ist. Das Ouevre strahlt eine gewisse „Work-Life-Balance“ aus, die sich die Menschen nicht erkämpfen müssen. Mit sich selbst beschäftigt, scheinen sie in ihrer Welt dahinzufließen. Das Personal kommuniziert nicht mit dem Betrachter, sie wenden den Blick ab und mitunter erkennen wir nur ihren Rücken. Wir müssen kämpfen, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen und vielleicht macht gerade das auch einen Reiz der Werke aus.  

Lea von Wintzingerode 2020 Laetitia m
Lea von Wintzingerode 2020 Laetitia m © Galerie Jacky Strenz

Ein kleines Kabinettstückchen ist etwa der Werkzyklus „My mother and I in Paris, 2016“, der aus vier Gemälden besteht. Anlässlich ihres Kunstexamens lud die Mutter vor vier Jahren zu einer gemeinsamen Fahrt nach Paris ein. Aus der Erinnerung baute Wintzingerode Stationen nach und schuf Ölgemälde, die sich auf die Erlebnisse, Stimmungen und Momente der Reise beziehen. Die Serie spielt dabei mit tradierten Paris-Klischees und lädt in ein „typisches“ Pariser Bistro oder zum Besuch des „Rive Gauche“, dem linken Seineufer, ein. Welcher Betrachter denkt da nicht an das Quartier Latin, St. Germain-des Prés und an den Montparnasse. Jean-Paul Sartre, Simone de Beauvoir, Gertrude Stein, Ernest Hemingway und F. Scott Fitzgerald sind plötzlich mit im Spiel. So vermischen sich die erlebten Momente von 2016 zugleich mit einem Personal, das dort vor 100 Jahren lebte, feierte und diskutierte. Alles wirkt unterhaltsam und doch entrückt. Wie schön wäre es, wenn sich Lea von Wintzingerode auch einmal malerisch mit Frankfurter Personal und Plätzen auseinandersetzte. Gerne gingen wir mit Johann Wolfgang Goethe, Theodor Adorno und viele weiteren Intellektuelle auf Zeitreise und bleiben zugleich in unserer heutigen Welt.

LvW_2020 Donald Judd is dead
LvW_2020 Donald Judd is dead © Galerie Jacky Strenz

Die Ausstellung ist noch bis zum 1. April 2020 geöffnet. Weitere Informationen unter

jackystrenz.com