Thrilling Stories – In der Galerie Hübner und Hübner ist es schaurig schön

Der Maler Wolfgang Hambrecht lädt zu gefährlichen Reisen in exotischer Umgebung ein. Foto: Edda Rössler
Der Maler Wolfgang Hambrecht lädt zu gefährlichen Reisen in exotischer Umgebung ein.
Foto: Edda Rössler

Wer braucht schon den Frankfurter Tatort, wenn es „Thrilling Stories“ in den heimischen Kunstgalerien gibt? Die im Grüneburgweg gelegene Galerie Hübner und Hübner bietet derzeit nicht allein spannende, sondern auch höchst amüsante Kunst-Geschichten. Die als Künstler getarnten „Krimi-Autoren“ Andreas Bee (1953) und Peter Sauerer (1958) zeigen im oberen Stockwerk der Galerie skurrile und eigenwillige Exponate. Jedes einzelne Werk umgibt eine besondere Aura, manches erinnert an die urplötzlichen Auftritte von Horrorgestalten, wie wir sie in Geisterbahnen auf dem Jahrmarkt erleben. Selbst auf den ersten Schein ästhetische Konglomerate entpuppen sich beim genaueren Hinsehen als zwielichtige, hintersinnige Ensemble. Nichts scheint so wie es ist.

Der in München geborene und dort an der Akademie ausgebildete Bildhauer Peter Sauerer, der seinem bayrischen Idiom treu geblieben ist, lädt etwa mit der Holzinstallation „Think about“ zum Nachdenken über das Weltall ein. Zu der kleinen Kostbarkeit, einer aus einer Walnussschale herausmodellierten Weltkugel, gehört ein schräg darunter angebrachter Mensch „zwischen Tisch und Pranger“. „Ich mag absurde Bilder“, sagt Sauerer und auch deswegen ziert sein Weltall ein Totenschädel. Spätestens jetzt weiß der Besucher, dass man der Kunst von Sauerer mit Vorsicht begegnen sollte. Auch aus seiner der Werkstatt stammt das kuriose Legoauto, in dem neben dem Künstler selbst sein mitausstellender Kollege Andreas Bee vom Massenmörder Adolf Hitler höchst persönlich chauffiert wird. Das Objekt wirkt umso bedrohlicher, als Sauerer großen Wert auf Details liegt: Mithilfe eines 3 D-Druckers fertigte er die Figuren an und bemalte sie. Gerade der Mix aus präziser Handwerkskunst, genauer Beobachtungsgabe und surrealistischem Setting machen Schaudern.

Groß ist das Weltall, klein der Mensch. Der Bildhauer Peter Sauerer inszeniert skurrile Situationen Foto: Edda Rössler
Groß ist das Weltall, klein der Mensch. Der Bildhauer Peter Sauerer inszeniert skurrile Situationen
Foto: Edda Rössler

„Ich bin kein Künstler, ich bin Kurator“, stellt der Bochumer Kunsthistoriker Andreas Bee klar. Seine Exponate sind als Anschauungsobjekte unisono perfekt inszeniert und lassen sich durchaus mit einem Augenzwinkern goutieren. Oder etwa nicht? Das muss gleich vorab gesagt werden. Durch Bees akribische Spurensuche hat er eine Saga der Kunstgeschichte berichtigt. Der Maler Vincent van Gogh hat nämlich nicht Selbstmord mit einer Pistole begangen! Wie einst Sherlock Holmes oder Hercule Poirot hat Bee seine grauen Zellen bemüht und gelang zu bahnbrechenden Erkenntnissen. Auf einem Podest erkennt der Besucher nunmehr einen der original Tatwaffe vergleichbaren, kleinkalibrigen Lefaucheux-Stiftfeuerrevolver. „Das gleiche Baujahr, das gleiche Kaliber“, sagt Bee. Mit einem solchen „Damen-Handtaschenrevolver“ könne man bestenfalls Vögel erschießen, aber doch nicht sich selbst. Auch sehenswert ist sein „Murder-Set-Up“, das er einem Coverbild eines amerikanischen Groschenromans aus den 30er Jahre nachempfand. Selbst empathische Seelen kommen auf ihre Kosten und werden Bees Teddybär aus den Kindheitstagen goutieren. „Den habe ich fast zu Tode geliebt.“ Wo man hinschaut, überall lauert die Gefahr.

Funktioniert auch ohne Edgar Wallace-Schrei! Kurator Andreas Bee und sein „Murder-Set-Up“ Foto: Edda Rössler
Funktioniert auch ohne Edgar Wallace-Schrei! Kurator Andreas Bee und sein „Murder-Set-Up“
Foto: Edda Rössler

Wer jetzt glaubt, nach so viel Crime einen entspannten Ausklang beim Betrachten der großformatigen Bildwelten des Malers Wolfgang Hambrecht im unteren Galeriebereich zu finden, der irrt. „Nothing but Prayers“, so der Ausstellungstitel, weist bereits darauf hin, dass man manchmal nur noch die Augen schließen kann und auf das Schicksal vertrauen muss. Der Freiburger Maler (1957), Meisterschüler von Per Kirkeby, lebt und arbeitet in Düsseldorf. Auf seinen zahlreichen Reisen geriet er in gefährliche Situationen, wie etwa bei einer brisanten Busfahrt in den Usambara-Bergen in Tansania. So entstand eine malerische Reminiszenz aus Öl und Acrylfarben auf Leinwand. Nahezu einladend erscheint der grell bunte, poppige Bus. Doch während die Hinterreifen noch Bodenhaftung verspüren, sieht der vordere Teil arg ramponiert aus. Diese Fahrt ist nichts für schwache Nerven, aber missen möchte man sie nicht. Eine wundervoll luftige, lichtdurchflutete Vegetation im oberen Bildrand und ein herrlich abstrakter, lehmfarbener Boden verleihen dem Werk eine fröhliche Atmosphäre. Hambrechts Malerei ist eine sehenswerte Kombination aus Figuration und Abstraktion.

Der Maler Wolfgang Hambrecht lädt zu gefährlichen Reisen in exotischer Umgebung ein. Foto: Edda Rössler
Der Maler Wolfgang Hambrecht lädt zu gefährlichen Reisen in exotischer Umgebung ein.
Foto: Edda Rössler

Die Ausstellungen sind noch bis zum 7. Mai zu sehen. Weitere Informationen unter www.galerie-huebner.de

Text und Foto von Edda Rössler
Am 26. April 2022 veröffentlicht in Frankfurter Neue Presse