Vernissage: Kirsten Leuenroth präsentiert in einer Doppelausstellung Werke von Kathrin Thiele und Marco Wagner

  Bericht in der Frankfurter Neuen Presse am 27. April 2020 veröffentlicht

„Rage against the dying of the light“ – Das Motto ist dem Wutgedicht von Dylan Thomas entnommen

Die Galeristin Kirsten Leuenroth und Edda Rössler – vor Werken der Leipziger Malerin Kathrin Thiele
Die Galeristin Kirsten Leuenroth und Edda Rössler – vor Werken der Leipziger Malerin Kathrin Thiele

Wie ein wilder Hurrikan prallt uns das Acrylgemälde „Powders No 1“ der Leipziger Künstlerin Katrin Thiele (40) ins Gesicht, deren Werke die linke Galerieseite der Galerie Leuenroth bespielen. Nachtschwarze und helle Töne, kontrastiert von wenigen Rotakzenten, alles ist kreisförmig arrangiert und scheint sich wie in einem Mahlstrom im Rausch zu drehen. Das Werk trifft wie ein Faustschlag mitten ins Gesicht. Die Meisterschülerin von Neo Rauch, die von der Galeristin Kirsten Leuenroth bereits seit 2007 vertreten wird, hätte dem Motto der Ausstellung „Rage against the dying of the light“ keinen besseren Ausdruck verleihen können. Entnommen ist der Titel dem Gedicht des walisischen Schriftstellers Dylan Thomas, in dem er seinen sterbenden Vater auffordert, den Tod nicht still hinzunehmen, sondern sich aufzubäumen und zu schreien. „Empör Dich, wenn das Tageslicht erstirbt!“

Leuenroth Thiele 2019 Powders 1 100x80cm
Kathrin Thiele 2019 Powders 1 100x80cm

Um diese Empörung bei der Begegnung mit dem Tod zu unterstreichen, hat die Künstlerin Acrylfarbe sowohl mit dem Pinsel als auch mit Spray auf der Leinwand aufgetragen. Individuelle Gestik und Nüchternheit lassen uns in einen dunklen Abgrund blicken. Dies wird durch geometrische Rechtecke in dem unterem Bilddrittel gesteigert, die sie mithilfe selbstentworfener Schablonen realisierte. Dünne Ästchen, die beim Sprayen Strukturen formen und an zerbrochenes Glas erinnern, erhöhen die Bild-Dramatik. Es blitzt und donnert im Bild, diese Malerei erschüttert. 10 weitere Werke variieren die Todesschreie, von denen keiner sanft daherkommt. Auch für Kirsten Leuenroth sind die neuen Werke eine Überraschung. „Kathrin Thiele hat in ihrer Kunst zahlreiche Verwandlungen geboten, doch diese Entwicklung ist einzigartig.“

Leuenroth Thiele 2020 Shards 2 50x40cm
Karthrin Thiele 2020 Shards 2 50x40cm

In der Ausstellung präsentiert Leuenroth zudem Werke des Würzburger Malers und Illustratoren Marco Wagner (38). Er zählt zu den 200 weltweit besten Illustratoren und arbeitet unter anderem für Medien wie New York Times oder Playboy. Wagner interpretiert den Umgang mit dem Tod hintersinnig, filigran und ästhetisch. Da entdecken wir kleinformatige Zeichnungen mit Leichenwagen oder wütende  Porträts, die eine Ähnlichkeit mit dem Dichter Dylan Thomas aufweisen. Wir sehen auch großformatige, ornamentale Blumenbouquets, bei denen genaues Betrachten wichtig ist. Denn erst auf den zweiten Blick entpuppen sich die zartrosa und roten Blüten als schreiende Münder. Hier verbindet er unterschiedliche künstlerischen Techniken in einem Werk. So schneidet er Papiere aus, bemalt und collagiert sie. „Egal, ob Zeichnung, Collagen, Malerei, Marco beherrscht alle Disziplinen“, sagt Leuenroth. Selbst wenn er bei einer Technik bleibt, wie etwa bei Bleistiftzeichnungen, klettern Farbkleckse über das Bild. So löst er Akkuratesse spielerisch auf und erzeugt authentische Nähe zum dargestellten Motiv.

Leuenroth Wagner Faded Bouquet 2 90x70cm Papierschnitt
Marco Wagner Faded Bouquet 2 90x70cm Papierschnitt

 Kirsten Leuenroth bedauert, dass die ursprünglich anberaumte Vernissage aufgrund der Corona-Krise nicht stattfand. „Es ist immer reizvoll, eine neue Ausstellung dem Publikum zu präsentieren.“ Wichtig ist es auch für die Künstler, die dann den direkten Kontakt zu den Kunstinteressierten finden. Gerade bei der Auseinandersetzung mit dem schwierigen Thema Tod und Sterben wäre das für sie sehr spannend gewesen.

Marco Wagner

Bekanntlich war Dylan Thomas hochprozentigen alkoholischen Getränken nicht abgeneigt. Doch statt Whisky reicht man bei Leuenroth zu Vernissagen einen Grauburgunder aus der Pfalz. In diesen Genuss und in den der Bilder kann man ab sofort wieder kommen. Die Ausstellung ist bei vorerst reduzierten Öffnungszeiten freitags von 12 – 18 Uhr und samstags von 11 bis 16 Uhr und nach Vereinbarung noch bis Ende Mai geöffnet.

Weitere Informationen und Anmeldung unter www.galerieleuenroth.de

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Text von Edda Rössler